Kapitel 17 – Der Funke in der Dunkelheit

Dunkelheit war allgegenwärtig.

Aemon und Mara hasteten über die Dächer der verfallenen Stadt, während das Echo der Schüsse langsam verklang. Der tote Jäger lag irgendwo tief unten, sein Körper zerschmettert auf dem kalten Asphalt. Doch sie wussten beide, dass er nicht der Letzte war.

Der Wind trug einen ekelhaften Geruch mit sich – eine Mischung aus Moder, verbranntem Fleisch und etwas … Unnatürlichem. Aemon konnte ihn nicht genau benennen, aber sein Instinkt sagte ihm, dass es nicht von dieser Welt war.

Mara presste die Hände gegen ihre Knie, keuchend. „Das Licht … wir müssen da hin."

Aemon nickte, musterte sie kurz. Ihr Gesicht war bleich, die dunklen Schatten unter ihren Augen verrieten ihre Erschöpfung. Doch da war mehr.

„Wie viel Zeit haben wir?" fragte sie leise.

Aemon blinzelte. „Was meinst du?"

Mara richtete sich langsam auf, sah ihm in die Augen. „Ich bin in dem Buch der Opfer verzeichnet, Aemon." Ihre Stimme war ruhig, aber ihre Hände zitterten. „Ich weiß nicht, was mit mir passiert ist. Vielleicht bin ich nur ein weiteres Experiment, das noch nicht abgeschlossen ist."

Aemon sah sie an, spürte, wie sich eine unangenehme Kälte in seiner Brust ausbreitete. Er erinnerte sich an das, was sie über die Mutationen gelesen hatten. Was, wenn Mara bereits verändert war?

„Wir wissen nicht, was das bedeutet", sagte er schließlich.

Sie verzog die Lippen zu einem bitteren Lächeln. „Eben."

Plötzlich – ein Geräusch.

Ein Scharren, tief unter ihnen.

Aemon riss die Waffe hoch, zog Mara mit sich hinter einen rostigen Lüftungsschacht. Sie hielten den Atem an.

Dann hörten sie es wieder.

Langsame, schwere Schritte.

Und eine Stimme. Flüsternd. Kratzend.

„Nicht verstecken … Ich rieche euch …"

Mara zuckte zusammen. Es war direkt unter ihnen.

Aemon spähte über den Rand des Daches. Tief unten, zwischen den Schatten der zerstörten Autos, stand eine Gestalt. Ihr Körper war verdreht, der Kopf schief, als hätte jemand den Hals mehrmals gebrochen. Sie trug zerschlissene Kleidung, ihre Haut war mit dunklen Adern durchzogen, die pulsierend unter der Oberfläche krochen.

Ein Mutant. Aber keiner von den wilden, sinnlosen Kreaturen. Dieser hier war anders.

Er roch die Luft, leckte mit einer gespaltenen Zunge über seine Lippen. Dann hob er den Kopf.

Seine Augen – schwarz wie ein endloses Loch – fixierten genau ihre Richtung.

„Ich weiß, dass ihr da seid."

Aemon spürte, wie sich etwas in ihm regte. Sein Dämon.

„Lass mich raus …"

„Er wird uns töten."

Aemon schloss für eine Sekunde die Augen, unterdrückte die Stimme. „Wir müssen leise bleiben."

Mara nickte, doch ihr Gesicht war steinhart. Sie wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war.

Der Mutant machte einen Schritt nach vorne – dann noch einen. Sein Körper zitterte, als würde er mit etwas in sich selbst kämpfen.

Dann blieb er stehen.

„Ihr … gehört nicht hierher."

Aemon hielt die Luft an.

„Ich … auch nicht."

Mara schüttelte langsam den Kopf. Ihre Lippen formten lautlos ein Wort. „Was?"

Doch dann, als plötzliches Sirren in der Luft – ein Pfeil.

Er traf die Kreatur mitten in die Brust.

Das Wesen taumelte zurück, spuckte schwarzes Blut – und dann war es tot.

Aemon sprang auf. Irgendwo in den Ruinen war jemand. Ein Überlebender.

Mara sog scharf die Luft ein. „Jemand hat ihn erledigt."

Aemon nickte, seine Muskeln angespannt. „Und wir sind die Nächsten auf seiner Liste."

Dann hörten sie es.

Eine Stimme, laut und unüberhörbar:

„Kommt runter, wenn ihr nicht auch sterben wollt."

Jemand wartete auf sie.

Doch war es ein Verbündeter? Oder nur ein weiterer Feind?