Kapitel 6 Feuertaufe

Die Bäume ragten hoch in den Himmel, ihre Schatten flackerten im sanften Wind. Raito hielt Takeshi weiter im Blick, während sich die angespannte Stille zwischen ihnen ausbreitete. Trotz Takeshis scheinbarer Gelassenheit spürte Raito, dass etwas an ihm nicht ganz normal war.

Doch ehe er weiter darüber nachdenken konnte, wurde er von einem Geräusch aus seinen Gedanken gerissen.

Ein leises Scharren.

Ein Ast knackte unter vorsichtigen Schritten.

Raito erstarrte.

Er war nicht mehr allein mit Takeshi.

Langsam wanderte seine Hand zu seinem Messer, sein Blick huschte durch die Bäume. Die Luft schien sich zu verdichten. Eine dunkle Präsenz lauerte in der Nähe.

Da!

Ein Schatten bewegte sich zwischen den Stämmen. Und dann, fast lautlos, trat eine Gestalt ins Licht.

Ein hagerer Mann mit strähnigem Haar, eine tiefe Narbe über der Wange. Seine Kleidung war schmutzig, sein Blick kalt. Er wirkte wie jemand, der viele Kämpfe hinter sich hatte – und keinen einzigen fair ausgetragen hatte.

„Ihr habt euch wohl gefunden, hm?" krächzte der Mann, seine Stimme rau wie Sandpapier.

Raito musterte ihn wachsam. „Wer bist du?"

Der Mann verzog den Mund zu einem hämischen Grinsen. „Ein Jäger."

In einer einzigen, flüssigen Bewegung zog er ein Schwert aus seinem Gürtel – rostig, aber scharf.

„Und ihr seid meine Beute."

Ein Angriff. Schnell. Zielgerichtet.

Der Mann stürzte sich mit einer überraschenden Geschwindigkeit auf Raito. Reflexartig wich dieser zur Seite aus, sein Messer blitzte in seiner Hand auf. Doch der Gegner ließ sich nicht abschütteln. Er wirbelte herum, seine Klinge schoss auf Raito zu.

Klingen trafen aufeinander.

Ein metallisches Kreischen erfüllte die Luft.

Raito wurde ein Stück zurückgedrängt, doch er fing sich sofort wieder. Seine Chakrai begann sich in seinen Muskeln zu sammeln. Mit einem schnellen Konter schlug er auf die Hand des Mannes – doch sein Gegner zog sich geschickt zurück.

Takeshi hatte sich keinen Millimeter bewegt.

„Ich könnte Hilfe gebrauchen!", rief Raito, als er dem nächsten Schlag auswich.

Takeshi schnaubte. „Sieht so aus, als würdest du dich gut amüsieren."

Raito knurrte. „Verdammt noch mal—!"

Der Angreifer griff erneut an. Doch diesmal war Raito vorbereitet.

Ein tiefer Atemzug. Ein präziser Ausfallschritt.

Sein Messer zuckte vor, traf das Handgelenk des Feindes. Der Mann fauchte, taumelte kurz. Raito nutzte den Moment, um nachzusetzen, doch sein Gegner erholte sich schnell.

„Nicht schlecht, Junge", spottete der Mann. „Aber nicht gut genug."

Dann geschah es.

Der Mann sprang zurück – und bewegte sich plötzlich viel schneller.

Sein Schwert wurde von einer dunklen Aura umhüllt, und sein gesamter Körper begann, sich in einem verzerrten Muster zu bewegen.

Eine Technik?

Raito erkannte sofort, dass er nicht gegen einen gewöhnlichen Straßenkämpfer antrat.

Der Angreifer griff erneut an – diesmal schneller als zuvor. Seine Schläge waren unberechenbar, beinahe unmöglich vorherzusehen. Raito konnte gerade noch ausweichen, doch einer der Schläge streifte seine Schulter. Ein brennender Schmerz durchfuhr ihn.

„Tch..." Raito biss die Zähne zusammen.

„Schluss mit Spielchen."

Takeshi seufzte und bewegte sich zum ersten Mal.

Ein einziger Schritt – und er war verschwunden.

Für einen Sekundenbruchteil wusste Raito nicht, wo er war.

Dann tauchte Takeshi direkt hinter dem Gegner auf.

Seine Bewegungen waren unmöglich schnell.

Mit einer blitzartigen Drehung rammte Takeshi dem Mann seinen Ellenbogen in den Rücken. Der Feind stolperte nach vorn, keuchte.

Doch anstatt zusammenzubrechen, wirbelte er herum und griff Takeshi mit einer Geschwindigkeit an, die Raito kaum folgen konnte.

Takeshi duckte sich im letzten Moment, ließ sich nach hinten fallen und trat dem Angreifer gegen das Schienbein.

Ein sauberer Konter.

Doch anstatt weiter anzugreifen, machte Takeshi einen Schritt zurück.

„Der ist nicht besonders stark", sagte er beiläufig.

„Leck mich", knurrte Raito.

Takeshi grinste. „Dann beeil dich und beende es."

Raito kniff die Augen zusammen. Er war sich nicht sicher, ob Takeshi ihn testete oder einfach nur ein Arsch war. Vielleicht beides.

Doch der Kampf war noch nicht vorbei.

Der Angreifer schien sich zu sammeln, seine Chakrai verdichtete sich. Sein Körper zitterte, als er seine Energie sammelte.

„Ich lasse mich nicht von zwei dahergelaufenen Gören besiegen!" fauchte er.

Dann sprintete er vorwärts – mit einer Geschwindigkeit, die noch höher war als zuvor.

Doch diesmal war Raito bereit.

Er ließ seine Chakrai durch seine Beine pulsieren und sprang ihm entgegen.

Ein Frontalangriff.

Die Klingen trafen erneut aufeinander. Ein kurzer Moment des Stillstands.

Dann ein Schnitt.

Raito riss sein Messer herum – und erwischte den Mann an der Seite.

Ein erstickter Laut entwich dem Angreifer, als Blut auf den Waldboden tropfte.

Er taumelte zurück, die Hand auf die Wunde gepresst. Sein Atem ging schwer.

„Mistkerl…" keuchte er.

Doch er wusste, dass es vorbei war.

Raito ließ sein Messer sinken, sein Brustkorb hob und senkte sich schnell.

Takeshi betrachtete die Szene mit verschränkten Armen.

„Na bitte", meinte er. „Hättest du schneller machen können."

Raito warf ihm einen giftigen Blick zu. „Wenn du dich nicht so angestellt hättest, wäre es schneller gegangen."

Takeshi zuckte mit den Schultern. „Aber dann hättest du nichts gelernt."

„Ich hätte gelernt, dass du ein fauler Mistkerl bist."

Ein Grinsen zuckte über Takeshis Lippen. „Vielleicht."

Der Angreifer taumelte noch immer, doch seine Beine gaben nach. Mit einem dumpfen Laut sackte er zusammen.

Raito starrte auf ihn hinab. „Was machen wir mit ihm?"

Takeshi zuckte die Schultern. „Ist nicht mein Problem. Lass ihn liegen."

Raito runzelte die Stirn. Die Kälte in Takeshis Stimme gefiel ihm nicht. Doch gleichzeitig konnte er nicht leugnen, dass der Mann es verdient hatte.

Nach einem Moment der Stille seufzte Raito.

„Dann gehen wir weiter."

Takeshi nickte und drehte sich um.

Während sie tiefer in den Wald gingen, musterte Raito Takeshi erneut.

Dieser Kerl war anders. Stärker, als er sich gab. Schneller, als er sein sollte.

Und er hatte Techniken benutzt, die nicht normal waren.

Raito wusste nicht, was Takeshi verbarg.

Doch er wusste eines:

Dieser Junge würde sein Leben verändern.

Und nicht unbedingt zum Besseren.

Ende von Kapitel 6