Kapitel 8 Erste Schritte in der Chakrai-Kunst

Die Nacht war kalt. Ein dünner Nebelschleier lag über dem Waldboden, während Raito vor sich hin keuchte. Er hatte keine Ahnung, wie lange sie schon unterwegs waren, doch seine Beine fühlten sich schwer an. Neben ihm wirkte Takeshi völlig unbeeindruckt.

„Wir machen eine Pause", murmelte Raito schließlich und ließ sich auf einen umgestürzten Baumstamm sinken.

Takeshi zuckte nur mit den Schultern. „Meinetwegen."

Er lehnte sich gegen einen Baum, während Raito versuchte, seinen Atem zu beruhigen.

Die letzten Tage hatten ihn an seine Grenzen gebracht. Der Kampf gegen den Jäger hatte ihm klargemacht, dass er nicht stark genug war. Takeshi hatte kaum mit der Wimper gezuckt, während Raito fast das Leben verloren hätte.

Er musste stärker werden.

„Hey, Takeshi", begann Raito langsam. „Kannst du mir zeigen, wie du das gemacht hast? Deine Technik, als du dich so schnell bewegt hast."

Takeshi öffnete ein Auge und grinste. „Dachte, du würdest nie fragen."

Er stieß sich vom Baum ab und stellte sich vor Raito. „Du willst also Chakrai-Techniken lernen? Dann fangen wir mit den Grundlagen an."

Raito nickte.

Takeshi hob eine Hand und ließ eine dunkle, fast unsichtbare Aura über seine Finger tanzen.

„Chakrai ist unsere innere Energie. Sie ist in jedem von uns, aber die meisten Menschen wissen nicht, wie man sie nutzt. Es gibt drei Basisfähigkeiten, die jeder Kämpfer beherrschen sollte."

Er hob drei Finger.

„Seishin Kizu (Geisterschnitt), Kurai Sōchi (Dunkelverlagerung) und Kōsen Ten (Lichtstrom)."

Raito merkte sich die Namen.

„Du kannst dir eine aussuchen, mit der du anfangen willst", sagte Takeshi.

Raito dachte nach. Der Geisterschnitt klang nützlich, aber auch schwer zu kontrollieren. Dunkelverlagerung würde ihm helfen, schneller zu werden. Doch der Lichtstrom…

„Ich will Kōsen Ten lernen", entschied Raito.

Takeshi nickte anerkennend. „Nicht schlecht. Kōsen Ten ist keine direkte Angriffstechnik, aber sie kann dir helfen, Gegner auf Abstand zu halten."

Er machte eine Bewegung mit der Hand. „Pass auf. Die Technik funktioniert, indem du deine Chakrai in einem Punkt konzentrierst und sie dann freisetzt. So."

Er hielt eine Hand vor sich, konzentrierte sich – und plötzlich schoss ein schwacher Energiestoß aus seiner Handfläche. Ein leises Surren lag in der Luft, bevor der Lichtstrahl gegen einen Baum traf und einen kleinen Abdruck hinterließ.

„Versuch's."

Raito schluckte und hob die Hand.

Chakrai in einem Punkt konzentrieren… dann freisetzen.

Er schloss die Augen und versuchte, sich auf seine innere Energie zu fokussieren. Doch nichts geschah.

„Du verkrampfst dich zu sehr", bemerkte Takeshi. „Atme tief ein und fühl die Chakrai in dir. Stell sie dir wie eine Welle vor, die sich in deiner Handfläche sammelt."

Raito versuchte es erneut. Diesmal spürte er etwas – ein leichtes Kribbeln in seiner Hand.

Dann – ein schwaches Flackern.

Doch kaum hatte er die Energie freigesetzt, verpuffte sie wieder.

„Tch…"

Takeshi lachte. „Nicht schlecht für den Anfang. Aber du brauchst Übung."

Raito wollte gerade protestieren, als sich plötzlich ein Geräusch aus den Bäumen löste.

Ein Knacken.

Dann eine Stimme.

„Nicht schlecht. Aber du machst es falsch."

Raito zuckte zusammen und fuhr herum.

Auf einem Ast saß ein Junge, etwa in ihrem Alter. Er hatte wildes, silbernes Haar und einen schelmischen Ausdruck im Gesicht. Seine Kleidung war locker, fast nachlässig, doch in seinen Augen lag eine scharfe Intelligenz.

Takeshi runzelte die Stirn. „Wer zum Teufel bist du?"

Der Junge sprang elegant vom Baum und landete leichtfüßig auf dem Boden.

„Renji. Ich hab euch beobachtet. Und ich muss sagen, dass dein Freund hier nicht wirklich ein Talent für Kōsen Ten hat."

Raito funkelte ihn an. „Halt die Klappe."

Renji grinste nur. „Hey, ich meine es nicht böse. Aber wenn du willst, dass es funktioniert, solltest du nicht nur die Chakrai sammeln, sondern auch einen festen Punkt für die Freisetzung finden."

Er hob eine Hand – und ohne große Anstrengung schoss ein Lichtstrahl aus seiner Handfläche.

Ein klarer, scharfer Energiestoß, viel stärker als der von Takeshi.

Takeshi pfiff beeindruckt. „Nicht schlecht."

Raito war sprachlos. „Wie hast du das gemacht?"

Renji steckte die Hände in die Taschen. „Ich hab mir einfach meinen eigenen Weg gesucht. Probier's mal mit drei Fingern, nicht mit der ganzen Handfläche. Dann komprimiert sich die Energie besser."

Raito presste die Lippen aufeinander. Er mochte Renjis Art nicht – aber sein Rat machte Sinn.

Er hob die Hand, diesmal mit drei Fingern.

Konzentrierte sich.

Sammelte die Energie.

Dann…

Ein schwacher, aber klarer Lichtstrahl schoss aus seiner Hand.

Er traf einen Baum und hinterließ eine feine Kerbe.

Raito riss die Augen auf.

„Es hat funktioniert…!"

Takeshi nickte anerkennend. „Gut gemacht."

Renji grinste. „Siehste? Gar nicht so schwer."

Raito seufzte und ließ sich zurückfallen. Seine Hand kribbelte noch immer.

Takeshi verschränkte die Arme. „Warum hast du uns beobachtet?"

Renji zuckte mit den Schultern. „Ich suche eine Gruppe. Ihr scheint mir interessant genug zu sein."

Raito zog eine Augenbraue hoch. „Du willst dich uns anschließen?"

„Vielleicht." Renji grinste schelmisch. „Wenn ihr mich überzeugen könnt, dass ihr gut genug seid."

Takeshi lachte. „Na, das werden wir ja sehen."

Renji streckte sich und gähnte. „Dann bleibt nur noch eine Frage. Wer kocht heute Abend?"

Raito und Takeshi tauschten Blicke.

Und dann lachten sie.

Vielleicht war dieser Renji gar nicht so übel.

Ende von Kapitel 8