Kapitel 9 Der Pfad der Chakrai

Raito kniete mit geschlossenen Augen auf dem kalten Waldboden. Der Wind strich sanft durch die Blätter, und in der Ferne war das leise Zwitschern von Vögeln zu hören. Doch er hörte nichts davon. Sein Fokus lag auf dem, was in ihm geschah.

Takeshi stand einige Schritte entfernt, die Arme verschränkt. „Chakrai ist nichts, was du einfach ein- und ausschalten kannst. Es ist Teil von dir, eine Kraft, die durch deinen Körper fließt. Aber wenn du sie nicht kontrollierst, wird sie dich kontrollieren."

Raito knurrte leise. „Ich verstehe das Prinzip, aber wie wende ich es richtig an?"

Takeshi seufzte. „Du erinnerst dich an deinen letzten Kampf, oder? Dein Körper hat instinktiv darauf reagiert. Aber das reicht nicht. Du musst lernen, deine Chakrai bewusst zu lenken, nicht nur, wenn du in Lebensgefahr bist."

„Und wie mache ich das?"

„Indem du lernst, deine Energie zu fokussieren. Es gibt drei Basisfähigkeiten, die jeder beherrschen muss, bevor er fortgeschrittene Techniken nutzen kann."

Takeshi hob eine Hand und streckte zwei Finger aus. „Nummer eins: Flusskontrolle. Du lenkst deine Chakrai in verschiedene Körperteile, um entweder deine Geschwindigkeit, Kraft oder Ausdauer zu steigern."

Er machte eine kurze Handbewegung. „Nummer zwei: Kernresonanz. Eine Technik, mit der du Chakrai sammeln kannst, bevor du sie freisetzt. Perfekt für stärkere Angriffe."

Dann ließ er die Hand sinken. „Und Nummer drei: Energieschritt. Damit kannst du Chakrai in deine Beine lenken und deine Bewegungen beschleunigen. Ein grundlegendes, aber mächtiges Werkzeug."

Raito nickte langsam. „Also, Flusskontrolle, Kernresonanz und Energieschritt..."

„Genau." Takeshi grinste. „Und wir fangen mit Flusskontrolle an."

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Die erste Lektion

Raito saß mit verschränkten Beinen da, seine Hände auf den Knien. Takeshi stand vor ihm und beobachtete ihn genau.

„Erste Regel", begann Takeshi. „Deine Chakrai ist wie ein Strom aus Energie. Wenn du sie nicht steuerst, fließt sie unkontrolliert durch deinen Körper. Deshalb musst du sie lenken. Stell dir vor, du leitest Wasser durch ein Rohrsystem. Wenn du den richtigen Weg freimachst, fließt das Wasser genau dahin, wo du es brauchst."

Raito schloss die Augen und versuchte, sich das vorzustellen. Doch es fühlte sich seltsam an.

„Fühle deine Chakrai. Spüre, wie sie in dir fließt."

Tief atmete Raito ein. Er konzentrierte sich, versuchte, das Kribbeln in seinem Körper wahrzunehmen.

Da!

Ein leichtes Pulsieren in seiner Brust.

„Gut", meinte Takeshi. „Jetzt lenke es in deine Arme."

Raito versuchte es. Erst geschah nichts. Doch dann...

Ein warmes Gefühl breitete sich aus, strömte langsam durch seine Arme.

„Sehr gut." Takeshi nickte anerkennend. „Jetzt beschleunige den Fluss."

Raito fokussierte sich stärker. Das Pulsieren wurde intensiver. Seine Finger zitterten leicht.

„Perfekt."

Er öffnete die Augen. „Ich spüre es, aber... wie setze ich es ein?"

Takeshi grinste. „Jetzt kommt der praktische Teil."

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Der erste echte Test

Takeshi griff einen Stock vom Boden auf und warf ihn Raito zu.

„Zerschlage ihn."

Raito runzelte die Stirn. „Das ist doch lächerlich."

„Nicht mit normaler Kraft. Nutze deine Chakrai."

Raito zögerte. Dann holte er aus – und schlug zu.

Knack!

Der Stock zerbrach in zwei Teile.

Raito blinzelte überrascht.

Takeshi lachte. „Siehst du? Du hast gerade Flusskontrolle genutzt, um deine Schlagkraft zu verstärken. Mit genug Training kannst du das auf alle Körperteile anwenden."

Raito betrachtete seine Hand. Das war erst der Anfang.

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Kernresonanz – Die nächste Stufe

„Jetzt wird es interessanter", meinte Takeshi. „Kernresonanz ist die Technik, die du brauchst, um deine Chakrai für stärkere Angriffe zu speichern."

Er zeigte eine einfache Handbewegung. „Das hier ist die Geste, die du nutzen musst."

Raito beobachtete genau. Takeshi legte eine Hand auf seine Brust und ballte sie dann zur Faust.

„Diese Bewegung zwingt deine Chakrai, sich in deinem Kern zu sammeln. Sobald du genug Energie gespeichert hast, kannst du sie in einem einzigen Moment freisetzen."

Raito versuchte es. Er legte seine Hand auf die Brust und konzentrierte sich.

Doch nichts geschah.

Takeshi schüttelte den Kopf. „Nein, du musst es fühlen. Stell dir vor, du sammelst Luft in deinen Lungen, bevor du einen mächtigen Schrei ausstößt. Genauso funktioniert es mit Chakrai."

Raito versuchte es erneut. Diesmal spürte er, wie sich Energie in seiner Brust sammelte.

„Gut. Jetzt freisetzen!"

Raito riss die Faust nach vorn.

Ein plötzlicher Druck stieß aus seiner Handfläche, als hätte er eine unsichtbare Welle nach vorne geschleudert.

Takeshi grinste. „Nicht schlecht für den Anfang."

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Energieschritt – Die letzte Grundtechnik

Takeshi sah Raito nachdenklich an. „Du bist bereit für den schwierigsten Teil: Energieschritt."

„Was genau ist das?"

„Mit dieser Technik leitest du Chakrai in deine Beine, um schneller zu werden. Fast so, als würdest du dein eigenes Gewicht verringern."

Takeshi zeigte es. Mit einem einzigen Schritt war er plötzlich mehrere Meter weiter.

Raito starrte ihn an. „Okay, das ist verdammt nützlich."

„Ja. Aber auch verdammt schwer."

Raito nickte und stellte sich bereit.

Er konzentrierte sich, leitete Chakrai in seine Beine. Dann...

Er sprang.

Doch er landete nicht sanft – sondern stolperte und fiel der Länge nach hin.

Takeshi lachte. „Tja, das braucht noch Übung."

Raito rappelte sich auf. „Noch mal."

Er versuchte es erneut. Diesmal sprang er weiter, aber seine Landung war immer noch unsauber.

Doch er spürte es. Die Technik funktionierte – er musste sie nur meistern.

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Der unerwartete Besucher

Gerade als Raito den nächsten Versuch starten wollte, raschelte es im Gebüsch.

Beide wandten sich um.

Eine Silhouette trat aus den Schatten.

Ein Junge, etwa so alt wie sie, mit kurzem, zerzaustem Haar. Seine Kleidung war abgenutzt, seine Augen wachsam.

Er musterte sie einen Moment. Dann sprach er:

„Ihr seid also die Typen, die hier so viel Krach machen."

Raito und Takeshi tauschten einen Blick.

„Und wer bist du?" fragte Raito misstrauisch.

Der Junge grinste. „Jemand, der vielleicht mitmachen will."

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Ende von Kapitel 9