Kapitel 10 Der Pfad der Stärke

Die Sonne begann hinter den Baumwipfeln zu versinken, während Raito und die anderen sich noch immer auf der Lichtung befanden. Der Wind rauschte sanft durch das hohe Gras, doch in der Luft lag eine spürbare Spannung.

Kaito, der neue Junge, stand mit verschränkten Armen da. Sein Blick lag prüfend auf Raito.

„Also, du willst lernen, wie man Chakrai richtig nutzt?" fragte Kaito mit einem leichten Grinsen.

Raito musterte ihn misstrauisch. „Ich kann es doch schon nutzen."

Kaito lachte trocken. „Du benutzt es instinktiv. Das ist wie ein Kind, das zum ersten Mal ein Schwert in die Hand nimmt. Ohne Kontrolle."

Raito knirschte mit den Zähnen. Er mochte es nicht, unterschätzt zu werden, aber tief in sich wusste er, dass Kaito nicht ganz Unrecht hatte.

Renji beobachtete das Gespräch schweigend aus der Ferne, sein Blick ruhig und analysierend. Takeshi hingegen schien desinteressiert, doch Raito wusste, dass er genau zuhörte.

„Dann erklär mir, was du weißt", forderte Raito heraus.

Kaito seufzte. „Gut. Dann hör zu. Chakrai ist die Energie, die in uns allen fließt. Es gibt verschiedene Stufen und Techniken, um sie zu nutzen. Die Grundlagen sind einfach: Energie sammeln, kontrollieren und gezielt einsetzen."

Er hob eine Hand und zeigte auf seine Brust. „Das Zentrum unserer Chakrai liegt hier. Wenn du sie richtig lenkst, kannst du unglaubliche Dinge tun. Aber zuerst musst du lernen, sie bewusst zu kontrollieren."

Raito nickte. „Und wie mache ich das?"

„Indem du zuerst die richtige Technik lernst", sagte Kaito ernst. „Es gibt drei Basisfähigkeiten, die jeder beherrschen sollte."

Er streckte einen Finger aus. „Erstens: Innere Fokussierung – das bedeutet, dein Chakrai bewusst zu lenken und nicht nur instinktiv zu nutzen."

Ein zweiter Finger. „Zweitens: Äußere Verstärkung – das erlaubt dir, deine Angriffe und Verteidigung zu verstärken."

Ein dritter Finger. „Und drittens: Schattenstrom – eine spezielle Bewegungstechnik, um Geschwindigkeit und Reflexe zu steigern."

Raito spürte, wie sein Herz schneller schlug. Das war genau das, was er brauchte.

„Lass uns anfangen", sagte er entschlossen.

Kaito grinste. „Dann konzentrier dich. Wir fangen mit Innere Fokussierung an."

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Die Kontrolle der Chakrai

Raito saß mit verschränkten Beinen auf dem Boden, während Kaito sich vor ihn stellte.

„Schließ die Augen", befahl Kaito.

Raito tat, wie ihm geheißen.

„Spür die Energie in dir. Sie ist immer da. Dein Herz schlägt, dein Atem fließt, und mit jedem Atemzug bewegt sich deine Chakrai."

Raito konzentrierte sich. Zunächst fühlte er nichts. Doch dann... ein leichtes Kribbeln. Ein warmes Pulsieren in seiner Brust.

„Ja... ich spüre es."

„Gut. Jetzt versuche, sie zu lenken. Stell dir vor, dass du sie in deine Hände schickst."

Raito versuchte es, doch es war schwieriger als gedacht. Die Energie war wie ein wildes Tier, das sich nicht bändigen ließ.

„Es geht nicht", murmelte er.

Kaito seufzte. „Geduld. Du denkst zu sehr darüber nach. Lass es geschehen."

Raito atmete tief durch. Diesmal versuchte er nicht zu zwingen, sondern einfach zuzulassen. Langsam... ganz langsam...

Ein schwaches Licht flackerte in seinen Handflächen.

„Da ist es!" rief er überrascht.

Kaito nickte zufrieden. „Jetzt halte es. Kontrolliere es."

Raito hielt die Energie, doch es war anstrengend. Nach wenigen Sekunden erlosch das Licht.

„Nicht schlecht für den ersten Versuch", meinte Kaito. „Aber du brauchst Übung."

Raito seufzte. „Wie lange dauert es, bis man es perfekt kann?"

Kaito zuckte mit den Schultern. „Kommt drauf an. Manche brauchen Monate. Andere Jahre."

Raito knirschte mit den Zähnen. „Ich habe keine Jahre."

Kaito grinste. „Dann beeil dich mit dem Training."

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Die Kunst der Verstärkung

Nachdem Raito die Grundlagen der Chakrai-Kontrolle verstanden hatte, war es Zeit für den nächsten Schritt.

„Als Nächstes kommt Äußere Verstärkung", sagte Kaito. „Das bedeutet, du verstärkst deinen Körper mit Chakrai, um stärker und schneller zu werden."

Raito nickte. „Zeig es mir."

Kaito trat einige Schritte zurück, hob die Faust – und dann explodierte die Luft um ihn herum. Eine unsichtbare Kraft pulsierte aus seinem Körper.

Mit einem einzigen Schritt war er plötzlich direkt vor Raito.

„Was zum—?!" Raito wich instinktiv zurück.

Kaito grinste. „Das ist der Effekt von Chakrai-Verstärkung. Schneller. Stärker."

Raito spürte die Aufregung in sich steigen. „Und wie mache ich das?"

„Konzentration. Stell dir vor, dass du deine Energie nicht nach außen lenkst, sondern direkt in deine Muskeln leitest."

Raito schloss die Augen und versuchte es.

Er sammelte seine Chakrai... ließ sie in seine Arme fließen...

Dann ballte er die Faust.

Ein sanftes Vibrieren durchlief seinen Körper.

„Ja! Ich spüre es!"

Kaito beobachtete ihn genau. „Jetzt versuch, damit zu schlagen."

Raito drehte sich zu einem nahegelegenen Baum und holte aus.

Er schlug zu.

Ein dumpfer Schlag.

Der Baum blieb stehen.

Kaito lachte. „Nicht schlecht. Aber du musst es besser kontrollieren."

Raito schnaubte. „Ich versuch's nochmal."

Er atmete tief durch, fokussierte seine Chakrai stärker. Diesmal ließ er die Energie nicht entweichen, sondern hielt sie direkt in seiner Faust.

Dann schlug er erneut zu.

Ein lauter Knall!

Der Baum vibrierte. Ein Riss zog sich durch die Rinde.

Raito grinste.

„Jetzt wird's interessant."

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Schattenstrom – Geschwindigkeit ist alles

„Die letzte Basisfähigkeit ist die wichtigste", erklärte Kaito. „Schattenstrom. Damit kannst du deine Geschwindigkeit enorm steigern."

Raito nickte. „Wie funktioniert es?"

„Du leitest Chakrai in deine Beine und nutzt sie, um den Boden zu 'stoßen'. So kannst du schneller beschleunigen und deine Reflexe verbessern."

Raito atmete tief durch und versuchte es.

Er leitete seine Chakrai nach unten – dann trat er los.

Er spürte den Schub, doch er verlor sofort das Gleichgewicht und stolperte.

„Aua!"

Kaito lachte. „Zu viel Kraft. Versuch es kontrollierter."

Raito versuchte es erneut. Diesmal vorsichtiger.

Er spürte die Energie... ließ sie langsam in seine Beine fließen...

Dann stieß er sich ab.

Ein Wimpernschlag – und plötzlich war er einige Meter weiter.

„Ja!"

Kaito nickte zufrieden. „Nicht schlecht."

Raito grinste. „Ich glaube, ich werde schnell besser."

„Vergiss nicht", sagte Kaito ernst, „dass wahre Stärke nicht nur aus roher Kraft besteht. Sondern aus Kontrolle."

Raito nickte. Er verstand.

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Ein neuer Weg beginnt

Als die Nacht über sie hereinbrach, standen Raito und Kaito nebeneinander.

Renji trat vor. „Du hast heute viel gelernt, Raito. Aber das ist erst der Anfang."

Takeshi schmunzelte. „Ich hätte nicht gedacht, dass du so schnell Fortschritte machst."

Raito blickte in den dunklen Himmel. Er wusste, dass er noch einen langen Weg vor sich hatte. Doch er würde ihn gehen.

Denn er hatte endlich verstanden, was wahre Stärke bedeutete.

Und er würde sich niemals wieder aufhalten lassen.

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Ende von Kapitel 10