Die Nacht in der Ruinenstadt war ruhig – zu ruhig. Das Feuer in ihrem Unterschlupf brannte nur noch schwach, während sich der kalte Wind durch die zerfallenen Mauern schlängelte. Die Gruppe hatte sich in einer halb eingestürzten Halle niedergelassen, die ihnen zumindest vorübergehend Schutz bot.
Takeshi lag noch immer auf einer notdürftigen Unterlage aus zusammengerollten Mänteln und Decken. Seine Atmung war gleichmäßiger geworden, sein Gesicht nicht mehr so blass wie zuvor. Die Medizin, die Akane ihm gegeben hatte, schien zu wirken. Dennoch war er zu schwach, um weiterzureisen.
„Wir können ihn nicht mitnehmen", sagte Renji schließlich und verschränkte die Arme. „Er braucht Ruhe."
Haru nickte widerwillig. „Er wird es verstehen. Wir lassen ihn nicht zurück, wir geben ihm nur die Zeit, sich zu erholen."
Raito saß mit verschränkten Beinen am Rand des Lagers. Sein Blick ruhte auf dem Boden, aber seine Gedanken waren überall. Die dunkle Energie in ihm hatte ihn fast überwältigt – wieder einmal. Doch dieses Mal… war es anders. Dieses Mal hatte er nicht alleine gekämpft.
Ein leises Rascheln ließ ihn aufblicken. Sayaka stand vor ihm, ihr Gesicht von der flackernden Glut erhellt.
„Komm mit."
Er zögerte kurz, dann folgte er ihr nach draußen.
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Draußen hatte sich die Dunkelheit über die Stadt gelegt wie ein schwerer Schleier. Die Trümmer der einst stolzen Gebäude warfen lange Schatten im Mondlicht. Raito und Sayaka gingen schweigend eine Weile nebeneinander her, bis sie eine alte Steinbrücke erreichten, die über einen ausgetrockneten Fluss führte.
Sayaka stützte sich auf das Geländer und blickte nach unten.
„Du gibst dir immer noch die Schuld, oder?" fragte sie plötzlich.
Raito lehnte sich neben sie. „Ich hätte die Kontrolle behalten müssen."
„Du hast die Kontrolle wiedererlangt."
„Zu spät."
Sayaka schüttelte den Kopf. „Du siehst das falsch. Du bist nicht verloren, Raito. Du kämpfst noch – und das ist, was zählt."
Er lachte leise. „Das sagst du so leicht."
Sie sah ihn direkt an. „Weil ich es weiß."
Er wollte widersprechen, doch ihre Augen hielten ihn fest. Da war kein Zögern in ihrem Blick, keine Angst – nur Entschlossenheit.
„Weißt du…" begann sie leise. „Ich habe auch Dinge getan, die mich verfolgen. Ich weiß, wie es ist, wenn die Vergangenheit wie eine Kette um deinen Hals liegt."
Raito schwieg.
„Aber wenn du dich von der Schuld auffressen lässt, wird sie dich irgendwann zerstören. Und ich werde nicht zusehen, wie das passiert."
Er sah sie an, und für einen Moment fühlte er sich… leichter.
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Als sie zurückkamen, war die Gruppe bereit zum Aufbruch. Takeshi öffnete langsam die Augen und lächelte schwach.
„Dann… geht ihr also schon?"
Raito kniete sich neben ihn. „Wir kommen zurück. Ruh dich aus, wir brauchen dich noch."
Takeshi grinste erschöpft. „Na klar. Ich bin nicht so leicht loszuwerden."
Akane blieb bei ihm, um ihn weiter zu versorgen. Die Gruppe verabschiedete sich kurz, dann machten sie sich auf den Weg.
Ihr Ziel war klar: Sie mussten Kuro finden.
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Ende von Kapitel 10