Es gibt viele Dinge, die ich mir für mein Leben hätte vorstellen können. Eine Karriere als Künstlerin. Eine eigene Wohnung, weit weg von meiner durchgeknallten Familie. Vielleicht sogar ein Roadtrip durch Europa, nur ich und meine Musik. Aber weißt du, was definitiv nicht auf der Liste stand?
Im Mittelpunkt eines königlichen Balls zu stehen, während sich Dutzende von Menschen zu mir umdrehen, als hätte ich soeben verkündet, dass ich ein Alien bin. Doch genau das passiert gerade. Ich habe keine Ahnung, wie es soweit kommen konnte. Vielleicht liegt es an meinen Chucks, die inmitten all der funkelnden Schuhe wirken, als wäre ich versehentlich aus der falschen Dimension hier gelandet. Vielleicht liegt es an Viktoria, die mich inzwischen mit einer Intensität anstarrt, als könne sie mich allein mit Gedankenstrahlen eliminieren. Oder vielleicht liegt es daran, dass ich es irgendwie geschafft habe, mir mein Getränk über das Kleid zu kippen. Ja. Richtig gehört. Während ich versucht habe, mich unauffällig an den Rand der Tanzfläche zu schleichen, ist es passiert: Ein unachtsamer Schritt, ein kleiner Rempler – und zack, mein Champagner ist nicht mehr im Glas, sondern auf meinem Kleid. Und nicht nur ein bisschen. Nein. Ein kompletter Schwall, der sich über den blauen Tüll ergießt, wie ein verdammter Wasserfall der Peinlichkeit. Die Gespräche um mich herum verstummen. Die Musik scheint kurz leiser zu werden. Und ich? Ich starre einfach nur auf den feuchten Fleck, der sich über mein Kleid ausbreitet, während mein Gehirn panisch nach einer Lösung sucht. „Wow." Ich blicke auf. Adrian steht vor mir, ein schiefes Grinsen auf den Lippen. „Das ist mal ein Auftritt", sagt er. „Ach, halt die Klappe." Ich ziehe eine Grimasse und versuche, das nasse Stück Stoff von meiner Haut zu lösen. „Das ist doch alles lächerlich." Er lehnt sich amüsiert näher. „Soll ich dir ein neues Glas besorgen, damit du den Look vollenden kannst?" „Oder du könntest mir einfach eine Decke bringen, damit ich mich hier drunter verstecken kann." Er lacht leise. „Tut mir leid, die habe ich leider nicht im königlichen Repertoire." Ich seufze und werfe einen kurzen Blick auf Viktoria. Sie sieht aus, als hätte sie innerlich bereits drei Nervenzusammenbrüche durchlebt. In ihrer perfekten Welt passieren solche Dinge nicht. Und wenn doch, dann sicher nicht mir – nicht in einer Nacht, in der ich mich ausnahmsweise mal nicht danebenbenehmen sollte.
Tja. Pech gehabt. „Hier", sagt Adrian plötzlich und reicht mir ein Stofftaschentuch. Ich hebe eine Augenbraue. „Echt jetzt? Wer benutzt heutzutage noch Taschentücher?"
„Gentlemen." „Und du?" „Eher aus nostalgischen Gründen." Ich nehme es widerwillig und tupfe den Stoff ab, obwohl ich weiß, dass das sowieso nichts mehr retten wird. „Weißt du", sagt Adrian nachdenklich, „ich glaube, du hast gerade alle Frauen im Saal auf zwei Arten inspiriert: Die eine Hälfte bewundert deinen Mut, in diesen Schuhen hier aufzutauchen, die andere ist beeindruckt von deiner Fähigkeit, dich selbst innerhalb von Minuten ins Chaos zu stürzen." Ich schnaube. „Schön, dass ich die Unterhaltung des Abends bin." „Ganz ehrlich?" Er zwinkert. „Du bist der einzige Grund, warum dieser Abend nicht stinklangweilig ist." Ich starre ihn an. Dann schüttele ich den Kopf und lache. „Das kann doch nicht dein Ernst sein." „Doch." Er sieht sich um. „Hast du dir diese Menschen mal angeschaut? Alle spielen ihre perfekte Rolle, als wäre das hier eine verdammte Oper. Aber du? Du bist die einzige, die einfach nur sie selbst ist." Ich sehe ihn einen Moment lang an. Und dann wird mir klar: Er meint es ernst. Adrian, der perfekte Prinz, der Thronfolger, der Kerl, der in einer Welt voller Erwartungen lebt, findet das hier tatsächlich… amüsant. Ich weiß nicht, was mich mehr irritiert – die Tatsache, dass er mich nicht auslacht, oder dass ich plötzlich das Gefühl habe, als wäre ich nicht ganz allein in diesem absurden Spiel. „Na schön", sage ich schließlich und streiche mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Wenn ich schon die Showeinlage des Abends bin, dann sollte ich wenigstens etwas daraus machen, oder?" Er grinst. „Das klingt vielversprechend." Ich strecke ihm die Hand hin. „Tanzen?" Er blinzelt überrascht. „Ehrlich?" „Warum nicht?" Ich zucke die Schultern. „Wenn wir schon in einem Märchen gefangen sind, können wir es genauso gut durchziehen." Er mustert mich einen Moment, dann nimmt er meine Hand.
„Na gut, Cinderella in Chucks", sagt er leise. „Dann lass uns mal für ein bisschen Drama sorgen." Und mit diesen Worten zieht er mich auf die Tanzfläche – mitten in den strengen Blick meiner Stiefmutter, mitten in die Erwartungen der Gäste, mitten in das Chaos, das ich nicht geplant habe, aber vielleicht genau das ist, was ich brauche.