POV: Narūn
Ich stehe vor den Toren von Vallegrad.
Die Stadt erhebt sich wie ein schlafender Titan, ihre Mauern ragen wie zerklüftete Gebirgsketten aus der Erde – gewaltig, alt und unbeweglich.
Das ist nicht einfach nur eine Stadt.
Es ist eine Prüfung. Ein Anfang.
Ich stamme aus einem kleinen Dorf nahe der Grenzlande des Königreichs Huganyor – ein Land aus tiefen Wäldern, nebligen Hügeln und vergessenen Orten.
Ein Reich der Geheimnisse und der Stille, ideal für Goblins und andere Halbblüte, um darin zu verschwinden.
Aber ich bin nicht gekommen, um zu verschwinden.
Ich bin gekommen, um aufzusteigen.
Gemeinsam mit meinem jüngeren Bruder Kar habe ich eine weite Reise hinter mir, um einen Traum zu verwirklichen, den wir seit unserer Kindheit in uns tragen:
Eine Söldnerkompanie gründen.
Unseren Namen in die Welt meisseln, koste es, was es wolle.
Unser Volk – unser Blut – stolz machen.
Wir sind nicht hier, um zu betteln oder uns zu verstecken.
Wir sind hier, um zu kämpfen, zu führen und zu erschaffen.
Dies ist der Anfang der Dynastie Ogodai.
Und Vallegrad … ist der Ort, an dem alles beginnt.
Bei unserer Ankunft in Vallegrad spürte ich eine bestimmte Art von Angst –
nicht die, die aus Gefahr entsteht, sondern die leise, kriechende Sorte, die sich tief in der Brust festsetzt, wenn man nicht weiß, ob man dazugehört.
Vallegrad war gewaltig, mächtig – eine echte Metropole.
Und wie viele solcher Städte gehörte sie den Menschen.
Ich wusste nicht, ob sie Hobgoblins oder andere wie mich akzeptierten –
Halbblüte, Ausgestoßene, jene, die weit entfernt von Marmorsäulen und Adelshäusern geboren wurden.
In ihren Augen waren wir oft weniger wert. Werkzeuge, Bedrohungen oder einfach nur … unerwünscht.
Und trotzdem war ich gekommen.
Denn wenn ein Ort wie Vallegrad durch Gold, Ehrgeiz und Ruf geformt werden konnte –
dann würde ich ihnen alles drei bringen.
Ob sie es wollten oder nicht.
Als wir uns dem Torbogen von Vallegrad näherten, begann meine Angst zu schwinden.
Zwei Halbgoblins standen unter den Wachen. Dieses kleine Detail – für andere kaum bemerkbar – bedeutete für mich alles.
Wenn man Halbgoblins diente, dann war die Chance groß, dass auch Hobgoblins wie wir akzeptiert wurden.
Zumindest toleriert. Und Toleranz war alles, was ich zum Starten brauchte.
Am Tor hielten uns die Wachen an und verlangten einen Identitätsnachweis.
Wir warfen uns einen unsicheren Blick zu.
„Identität?", fragte ich. Der Blick der Wachen verriet genug – wir waren offensichtlich keine Einheimischen.
„Woher kommt ihr?", fragte einer scharf.
„Wir kommen aus dem Königreich Huganyor", antwortete ich, aufrecht stehend, ohne Schwäche zu zeigen.
Sie glaubten uns nicht. Das war klar.
Aber wir bestritten es nicht. Wir wichen nicht zurück.
Schließlich tauschten sie einen Blick, zuckten mit den Schultern und traten zur Seite.
„Na gut", murmelte einer. „Ihr werdet schon noch merken, wie es in Vallegrad wirklich läuft."
Bevor sie sich abwenden konnten, hob ich erneut die Stimme.
„Noch etwas – wo finden wir die Söldnergilde? Wir sind hier, um uns einen Namen zu machen."
Das brachte sie zum Innehalten.
Einer der Halbgoblin-Wachen grinste leicht. „Drittes Viertel, Nordseite. Haltet Ausschau nach dem schwarzen Banner mit den gekreuzten Klingen."
Und so waren wir drin.
Schritt für Schritt kamen wir näher.
Näher zur Welt.
Näher zur Macht.
Näher zu Ogodai.
Wir liefen durch die Straßen von Vallegrad und konnten kaum glauben, was wir sahen.
Wir hatten gehört, dass es groß war.
Aber das hier?
Das übertraf alles, was wir uns je vorgestellt hatten.
Menschen aller Rassen eilten an uns vorbei – Elfen in wallenden Gewändern, Zwerge mit Kisten beladen, Orks, die laut mit Menschen lachten, und dazwischen Tieflinge mit wachsamen Blicken.
Händler riefen aus allen Ecken, boten Gewürze, Stoffe, Waffen und Speisen an.
Der Duft von frisch gebackenem Brot lag in der Luft – warm, reich, genau wie das Brot, das unsere Mutter früher im Dorf gebacken hatte.
Und der Geruch von gebratenem Fleisch – er versetzte mich direkt zurück ans Lagerfeuer hinter unserem alten Zuhause, wo der Jäger uns die Beute des Tages brachte.
Aber das hier war nicht Huganyor.
Das hier war Vallegrad.
Und wir waren nicht hier, um Erinnerungen zu leben.
Als wir die Marktstände passierten, zwischen Karren und Kisten hindurch, wussten wir genau, wohin wir wollten.
Zur Söldnergilde.
Wir waren nicht nur hier, um zu kämpfen.
Wir waren hier, um uns zu etablieren – bekannt, respektiert … gefürchtet zu werden.
Und eines Tages – unsere eigene Söldnerkompanie zu gründen.
Eine Kompanie, die die Welt unter dem Namen Ogodai kennen würde.
Endlich erreichten wir die Söldnergilde.
Das Gebäude war hoch, massiv und gut bewacht – seine Wände gesäumt mit verblichenen Bannern und Stahltafeln, auf denen die Namen legendärer Krieger eingraviert waren.
Das war es.
Der Ort, an dem unsere Reise beginnen würde.
Wir traten durch die schweren Holztüren in die Haupthalle. Der Geruch von Eisen, Leder und altem Pergament erfüllte die Luft.
Krieger und Abenteurer jeder Art standen an Tafeln, überflogen Aushänge oder lachten mit Kameraden.
Langsam, aber zielstrebig gingen wir zum Empfang. Hinter dem Tresen stand eine Frau mit strenger Miene, dunkler Weste und silbernem Abzeichen. Ihr Blick ruhte scharf auf uns, als wir näherkamen.
Sie zog eine Braue hoch, blieb aber professionell.
„Namen? Herkunft?", fragte sie. „Und Klassenzuordnung?"
Ich trat vor. „Mein Name ist Narūn. Wir kommen aus dem Königreich Huganyor.
Ich bin Schwertkämpfer."
Mein Bruder folgte. „Kar. Gleiche Herkunft. Ich bin Jäger – aufgewachsen mit den Waldjägern unserer Heimat."
Sie nickte und tippte etwas in eine bronzefarbene Konsole.
Nach einem Moment reichte sie uns zwei Gildenausweise – kleine, gravierte Platten mit unseren Namen, Klassen und dem Emblem der Söldnergilde Vallegrads.
„Ihr seid nun offiziell registriert", sagte sie und übergab uns die Platten.
„Diese dienen euch als Identifikation. Verliert sie nicht."
Wir nahmen sie wortlos entgegen.
Das war es.
Unser erster Schritt – nicht nur in die Gilde, sondern hinein in die Legende, die wir schaffen wollten.
Ich ging mit meinem Bruder langsam Richtung Trainingsplatz der Gilde von Vallegrad.
Wenn wir aufsteigen wollten – wirklich aufsteigen – mussten wir besser werden.
Ich war entschlossen, meine Schwertkunst zu verbessern, um eines Tages einen eigenen Stil zu meistern – oder gar zu erschaffen. Kar hingegen spannte bereits seinen Bogen, fokussiert darauf, seine Haltung, seine Genauigkeit, seinen Instinkt zu verfeinern.
Die Gilde erlaubte Duelle mit den Ausbildern – Veteranen, die mehr Schlachten gesehen hatten, als ich zählen konnte.
Sie machten es niemandem leicht.
Und meiner machte keine Ausnahme.
Ich trat in den Ring, Klinge in der Hand, dem Blick meines Gegners fest entgegensehend.
Er sprach kein Wort – nur ein Nicken. Dann griff er an.
Es war nicht spektakulär.
Es war nicht einmal knapp.
Ich verlor.
Deutlich.
Wieder.
Und wieder.
Und wieder.
So oft, dass ich aufhörte zu zählen.
Mein Stolz war mehr zerschlagen als meine geschundenen Arme.
Aber ich stand jedes Mal wieder auf.
Denn jede Narbe war eine Lektion.
Und ich wusste: Wahre Stärke bedeutet nicht, nie zu fallen –
sondern jedes Mal wieder aufzustehen.
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Autor: Crowley0221
Die Figur Narūn wird gespielt von André Castor.
Aber ab jetzt werde ich ihn einfach Narūn nennen. Ich sage es nur einmal.
Jetzt aber:
Viel Spaß mit der Geschichte.