In dem Moment, als Gerald dort ankam, sah er die Leere in ihren Augen, einen hohlen Blick, der von einer Seele sprach, die von Leben und Freude entleert worden war. Die lebendige Blume, die er einst gekannt hatte, war gepflückt worden und verwelkt.
Ihr Treffen war diesmal anders. Sie blickte ihm mit einer Mischung aus Sehnsucht und Resignation in die Augen. "Du bist nach all dieser Zeit zurückgekehrt," sagte sie leise. Aber ihre Stimme zitterte.
Sie zitterte so stark, dass er nicht verhindern konnte, dass seine Augen zuckten. Es war nicht, weil er verärgert war; nein, das war anders.
Es war, weil er traurig war... Das Gefühl, der Knoten in seinem Herzen... Es fühlte sich traurig an.
Gerald holte tief Luft und fasste sich. Er wusste, dass er aus einem bestimmten Grund hierher gekommen war. Er musste die Wahrheit wissen, und er konnte nicht zulassen, dass seine Gefühle ihm im Weg standen. Sanft nahm er ihre Hände in seine und spürte ihre Kälte.
"Da ist etwas, das ich wissen muss," begann er, seine Stimme fest, aber voller Dringlichkeit. "Das Kind... Elara... Ist sie meine? Ist sie meine Tochter?"
Sie sah zu ihm auf, ihre Augen mit Tränen gefüllt. Der Schmerz in ihrem Gesichtsausdruck war fast zu viel für Gerald zu ertragen. Sie holte tief Luft, als ob sie Kraft zum Sprechen sammeln würde.
"Ja," flüsterte sie, ihre Stimme brach. "Elara ist deine Tochter."
Die Worte hingen in der Luft, und Gerald spürte, wie eine Flut von Emotionen durch ihn strömte – Erleichterung, Freude und ein überwältigendes Gefühl der Verantwortung. Er zog sie in eine Umarmung und hielt sie fest.
"Es tut mir leid... Es tut mir leid..." Er umklammerte ihn, so gut er konnte. Tränen flossen aus seinen Augen, als er erkannte, was sie durchgemacht hatte.
Die ganze Zeit war sie hier mit jemand anderem. Während sie sein Kind trug, als er weg war, war sie hier, gefangen und ganz allein.
Sie konnte mit niemandem sprechen, da sie wusste, dass dies der einzige Weg war, um ihr Kind zu schützen, der einzige Weg für sie selbst, mit dem Vermächtnis zu leben.
Sie klammerte sich an ihn, ihre eigenen Tränen vermischten sich mit seinen. "Ich hatte keine Wahl, Gerald. Es war der einzige Weg, um Elara zu schützen."
Er zog sich leicht zurück und nahm ihr Gesicht in seine Hände. "Ich weiß. Und ich verspreche, ich werde alles wieder in Ordnung bringen. Ich werde euch beide von nun an beschützen."
Sie teilten einen Moment tiefgreifender Verbindung, das Gewicht ihrer gemeinsamen Vergangenheit und unausgesprochenen Liebe verband sie. In dieser Umarmung fanden sie Trost, wenn auch nur für einen flüchtigen Moment.
Nach einer Weile fragte Gerald sanft: "Kann ich sie sehen? Kann ich meine Tochter sehen?"
Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich, eine Mischung aus Bedauern und Beschützerinstinkt. "Elara trainiert gerade und darf nicht gestört werden. Alexander ist bei ihr und überwacht ihre Fortschritte."
Geralds Herz sank bei der Erwähnung von Alexander. Er war bereits Herzog geworden und hatte die Position seines Vaters übernommen. Der Gedanke, dass Alexander Elara so nahe war, erfüllte Gerald mit einer Mischung aus Wut und Hilflosigkeit.
"Ich verstehe," sagte Gerald mit schwerer Stimme. "Aber ich muss sie sehen. Ich muss sie kennenlernen."
"Ah..." Daraufhin legte sie eine Hand an seine Wange, ihre Berührung sanft und tröstend. Danach ließ sie mit ihrer anderen Hand eine kleine Menge Mana nach außen fließen.
Sie war schon immer eine talentierte Magierin gewesen, jemand, der als Jahrgangsbeste abschloss, obwohl sie die Erbin einer Vizegrafschaft war.
Mit einem traurigen Lächeln legte sie eine Hand an seine Wange, ihre Berührung sanft und tröstend. Sie hob ihre andere Hand, und eine kleine Menge Mana floss heraus und bildete ein ätherisches, schimmerndes Bild in der Luft. Gerald beobachtete staunend, wie die Magie Gestalt annahm und die Figur eines jungen Mädchens, Elara, mit leuchtenden Augen und einem entschlossenen Ausdruck enthüllte.
"Sie hat deine Augen," flüsterte sie, ihre Stimme erfüllt von einer Mischung aus Stolz und Trauer. "Sie ist so stark, genau wie du."
Das Bild zeigte Elara in verschiedenen Momenten ihres Lebens, ihr Lachen hallte leise in der Luft wider. Sie übte ihre Zaubersprüche, spielte mit anderen Kindern und vollbrachte sogar kleine Taten der Güte. Jede Szene war ein Einblick in das Leben der Tochter, die er nie gekannt hatte.
"Ich habe diese Erinnerungen aufbewahrt," sagte sie mit zitternder Stimme. "Ich wollte sie dir zeigen, wenn du zurückkehrst."
Geralds Augen füllten sich mit Tränen, als er die Szenen beobachtete. "Danke," flüsterte er. "Danke, dass du diese für mich aufbewahrt hast."
Elaras Bild verblasste und wurde durch das sanfte Lächeln ihrer Mutter ersetzt. "Sie ist ein kluges, wunderschönes Kind, Gerald. Sie ist alles, was wir uns erhofft haben."
Gerald nickte, sein Herz schmerzte vor einer Mischung aus Liebe und Bedauern. "Es tut mir leid, dass ich damals nicht für sie da war... Für sie und für dich... Es tut mir leid, dass ich euch beide allein gelassen habe."
Er nahm ihre Hände in seine, sein Griff fest und beruhigend. "Aber ich verspreche dir, von jetzt an bin ich hier. Ich werde für dich und Elara da sein. Ihr werdet nie wieder allein sein."
Ihr Lächeln war hell und aufrichtig, ein Schimmer der Frau, in die er sich verliebt hatte. "Ich bin so froh, das zu hören, Gerald. Wir haben dich so sehr gebraucht."
Doch gerade als sie diese Worte sprach, verzerrte sich ihr Gesichtsausdruck vor Schmerz. Sie krümmte sich, ein heftiger Husten erschütterte ihren Körper. Blut spritzte auf den Boden, und ihre Augen wurden rot, während sie weiter hustete, jeder Atemzug wurde mühsamer und qualvoller.
Geralds Augen weiteten sich vor Entsetzen. "Nein! Was passiert? Bleib bei mir!"
Er schickte verzweifelt sein Mana durch ihren Körper, seine Hände leuchteten in einem sanften, weißen Licht, als er versuchte, sie zu diagnostizieren und zu heilen. Er wusste, dass die Verwendung seines Manas seine Anwesenheit verraten würde, die Tarnung durch das Artefakt durchbrechen würde, aber er konnte nicht tatenlos zusehen.
In dem Moment, als sein Mana in sie floss, spürte er eine dunkle, heimtückische Energie in ihrem Körper. Es war Gift, und es breitete sich schnell aus. Geralds Herz pochte, als er versuchte, das Gift zu beseitigen, aber es war zu tief eingebettet.
'Ein Gift... Wo... Wie?'
Dachte ER. Er konnte es nicht verstehen. Wie würde man die Herzogin von Valoria vergiften? Als er sich diese Frage stellte, wusste er eines.
Es gäbe viele Menschen, die so etwas tun würden.
Die Anzahl war im Grunde endlos. "Gerald," keuchte sie, ihre Stimme schwach und zitternd. "Es ist... zu spät."
Tränen strömten über Geralds Gesicht, während er weiterhin sein Mana kanalisierte, Verzweiflung in jeder Bewegung. "Nein, sprich nicht so. Ich kann dich retten. Halt durch."
Aber sie schüttelte schwach den Kopf, ihre Augen voller trauriger Resignation. "Versprich mir... kümmere dich um Elara. Beschütze sie... vor dieser... grausamen Welt."
Geralds Hände zitterten, als er versuchte, den Fluss des Manas aufrechtzuerhalten. "Ich verspreche es. Ich werde sie mit meinem Leben beschützen. Aber bitte, verlass mich nicht. Nicht so."
Sie schaffte ein schwaches Lächeln, ihre Augen schlossen sich, als ihr Körper in seinen Armen erschlaffte. "Ich liebe dich, Gerald. Für immer..."
Und mit diesen letzten Worten wurde sie schlaff, ihr Atem verließ ihren Körper. Gerald hielt sie fest, seine Schluchzer hallten durch die stille Nacht. Die Sterne oben schienen in Trauer zu verblassen und warfen einen düsteren Schein über die Szene.
"Huh?"
Genau in diesem Moment hörte er den Klang von jemandem. Jemand, der ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte.
Eine Person, mit der Gerald sehr vertraut war. Jemand, dem er immer nahe stand.
Alexander.
Er stand da, mit weit aufgerissenen Augen.
"Gerald?" Alexanders Stimme zitterte, voller Unglauben.
Geralds Herz sank. Er wusste, dass es keine Erklärung für diese Szene gab. Alexanders Blick wanderte zu der Frau, die leblos in Geralds Armen lag, ihre Brust hob sich nicht mehr mit Atem. Die Erkenntnis traf Alexander wie ein Schlag, und seine Augen loderten vor Wut und Schmerz.
"Du... du hast sie getötet!" brüllte Alexander, die immense Energie um ihn herum flammte in einem gewaltsamen Sturm auf. Die Luft knisterte vor Macht, als er seine Waffe zog, sein Gesicht vor Wut und Trauer verzerrt.
"Nein, Alexander! Es ist nicht so, wie es aussieht!" schrie Gerald, aber seine Worte verhallten ungehört. Alexanders Trauer und Wut hatten ihn bereits verzehrt und ließen keinen Raum für Vernunft oder Erklärung.
Mit einem wütenden Schrei stürzte sich Alexander auf Gerald, seine Waffe zum Töten bereit. Gerald, noch immer erschüttert von dem emotionalen Aufruhr und dem Gift, das er in ihrem Körper gespürt hatte, schaffte es kaum, dem ersten Schlag auszuweichen. Die schiere Kraft von Alexanders Angriff sandte Schockwellen durch den Raum, zerbrach Fenster und splitterte Holz.
Gerald wusste, dass er nicht bleiben und kämpfen konnte, nicht hier, nicht jetzt. Er musste fliehen, um das Versprechen zu schützen, das er gerade gegeben hatte. Aber Alexander war unerbittlich, seine Angriffe wurden mit jedem Moment rasender.
Mit seiner verbleibenden Kraft entfesselte Gerald eine mächtige Technik, eine, die er gehofft hatte, nie einsetzen zu müssen. Es war ein letzter Ausweg, eine verzweifelte Maßnahme. Die Technik erlaubte es ihm, vorübergehend seine Geschwindigkeit und Beweglichkeit zu steigern, aber zu einem hohen Preis für seinen Mana-Kern. Er konnte die Belastung spüren, den scharfen Schmerz, als sein Mana-Kern unter dem Druck zu reißen begann.
"Ich werde für dich zurückkommen, Elara," flüsterte er zu sich selbst, Tränen verschleierten seine Sicht, als er die Technik aktivierte. Mit einem letzten Energiestoß stürmte er an Alexander vorbei und entging knapp einem weiteren tödlichen Schlag.
Alexanders Wutgebrüll hallte hinter ihm her, als Gerald aus dem Herrenhaus floh, sein Herz schwer vor Trauer und Schuld. Er konnte den Schaden an seinem Mana-Kern spüren, die lähmende Wirkung, die Jahre brauchen würde, um zu heilen, wenn überhaupt.
Gerald verschwand in der Nacht, die Schatten verschluckten ihn, als er schwor zurückzukehren, seine Tochter zu beschützen und die Liebe zu rächen, die er verloren hatte. Aber für jetzt konnte er nur rennen, rennen und überleben, beladen mit dem Gewicht seiner Versprechen und dem Schmerz seines gebrochenen Herzens.
"Und so bin ich hier gelandet." Der alte Mann, Gerald, beendete seine Geschichte, seine Stimme erfüllt von tiefem Kummer.
Lucavion stand da, schweigend, und nahm jedes Wort auf. Er wusste nicht, was er sagen sollte, das Gewicht der Geschichte seines Meisters lastete schwer auf seinem Herzen.
Gerald drehte sich zu Lucavion um, seine Augen spiegelten ein Leben voller Schmerz und Bedauern wider. "Ich konnte die Frau, die ich liebte, nicht beschützen, noch konnte ich an der Seite meiner Tochter stehen. Das ist der einzige Stich des Bedauerns, den ich in meinem Leben habe."
Lucavions Blick traf auf Geralds, und er sah, wie die Gestalt des alten Mannes mit jedem Moment durchsichtiger wurde. Das Sternenlicht um sie herum schien zu verblassen, der Kosmos selbst trauerte um den bevorstehenden Verlust.
Gerald ging auf Lucavion zu, seine Schritte langsam und bedächtig. "Würdest du der Bitte dieses alten Mannes zuhören?" fragte er, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
Lucavion nickte, seine Kehle eng vor Emotion. "Natürlich, Meister. Alles."
Gerald legte eine geisterhafte Hand auf Lucavions Schulter, die Berührung ätherisch und flüchtig. "Ich vertraue dir meine Tochter an," sagte er, als er blickte. "Bitte kümmere dich um sie, wenn du kannst."
Als er das sagte, wurde seine Präsenz fast nicht mehr wahrnehmbar.
Geralds letzte Worte waren kaum hörbar, getragen vom Flüstern des Sternenlichts. "Denk daran, Lucavion, die Sterne verblassen nie. Deine Entschlossenheit sollte es auch nicht tun."
Und damit löste sich Geralds Gestalt in der sternenlichterfüllten Leere auf und ließ Lucavion allein im spirituellen Reich zurück.
"Ich verstehe, Meister. Wenn das dein Wunsch an mich ist."
Die Person, die ihm geholfen hatte, aus dem tiefsten Abgrund aufzusteigen...
Lucavion war nicht jemand, der dieses Vertrauen verraten würde.
**********
Ende des ersten Bandes.
-----------------A/N------------------
Der Prolog der Geschichte ist endlich vorbei.
Nun folgen drei Kapitel mit Nebengeschichten. Und dann beginnt die eigentliche Geschichte.
Ich werde die Kapitel nach dem Beginn des zweiten Bandes sperren.