POV Nadia
Ich bin in der Sklaverei aufgewachsen.
Ich kenne kein anderes Leben.
Für mich war das normal –
Ketten, Befehle, Blicke,
die einen ansehen,
aber nie wirklich sehen.
Ich habe gelernt zu schweigen,
zu lächeln,
zu funktionieren.
Aber tief in mir…
hoffe ich.
Hoffe, dass es sich irgendwann ändert.
Dass mich eines Tages jemand sieht –
wirklich sieht.
Nicht nur meine Schönheit.
Nicht nur die Hülle.
Sondern das,
was darunter liegt.
Heute hat der Kerkermeister mich gerufen.
Er sagte, ich soll wieder das sein,
was meine Mutter vor mir war:
Seine Puppe.
Nicht für ihn diesmal.
Sondern für ihn.
Ich gehe langsam
durch die dunklen, kalten Gänge des Kolosseums Khar-Narûn,
auf dem Weg zum Büro des Kerkermeisters.
Die Mauern flüstern alte Geschichten.
Schritte hallen wie Schläge.
Nach einem langen Marsch
stehe ich endlich vor seiner Tür.
Ich klopfe.
Leicht – aber fest genug,
dass er weiß, ich bin da.
> „Herein."
Die Stimme ist wie immer:
kräftig.
Autoritär.
Unantastbar.
Ich trete langsam ein.
Der Raum ist schwer.
Gefüllt mit Macht und Absicht.
Ich weiß, was jetzt kommt.
Ich weiß, was ich tun soll.
Ich soll mich an jemanden heranschmeißen.
Ihn einwickeln.
Ihn kontrollieren.
Ihn halten – mit Haut, Blick und Nähe.
Aber während ich da stehe…
frage ich mich:
Will ich das wirklich?
Oder gibt es in mir doch noch etwas,
das nicht kontrolliert werden will?
Der Kerkermeister saß hinter seinem schweren Tisch,
von Schatten umgeben,
als wäre er selbst ein Teil dieser kalten Mauern.
Sein Blick war ruhig,
doch seine Worte waren scharf wie Klingen.
Er erklärte mir,
wen ich kontrollieren soll.
Nicht irgendeinen Mann.
Nicht irgendeinen Kämpfer.
Spartan.
Nummer 47.
Der neue Champion.
Der zukünftige Held – oder das gefährlichste Werkzeug,
je nachdem, wer ihn führt.
Ich sollte ihn um den Finger wickeln.
Seine Nähe suchen.
Sein Vertrauen gewinnen.
Ihm ein Kind schenken.
Nicht aus Liebe.
Nicht aus Hoffnung.
Sondern um ihn zu binden.
Für immer.
An den Kerkermeister.
An seine Gier.
An seinen Plan.
Ich wollte es nicht.
Götter, ich wollte es nicht.
Aber was für eine Wahl bleibt mir?
Ich bin nur eine Sklavin.
Geboren in Ketten.
Groß geworden in Dunkelheit.
Ich habe nichts.
Kein Name.
Kein Zuhause.
Keine Zukunft.
Also bleibt mir nur das Spiel.
Die Maske.
Die Rolle.
Wenn ich überleben will,
muss ich mich an jemanden Großen hängen.
Und vielleicht –
nur vielleicht –
finde ich dabei einen Weg,
nicht nur zu leben,
sondern frei zu werden.
POV Spartan
„Ich würde gerne deine Lebensgeschichte hören, Nadia."
Meine Stimme war ruhig.
Fast sanft.
Nicht befehlend.
Nicht kalt.
Sondern wie ein leiser Windzug,
der an etwas rührt,
das zu lange verschlossen war.
Als sie den Kopf leicht hob,
und ich ihre Augen sah,
wusste ich es.
Sie war eine Puppe.
Nicht, weil sie es wollte.
Sondern weil man sie dazu gemacht hatte.
Weil niemand sie je gefragt hatte,
was sie wollte.
Was sie fühlte.
Was sie dachte.
Egal, was sie sagt.
Egal, was getan wird.
Sie hat nichts zu sagen.
Und das…
finde ich traurig.
Nicht mitleidig.
Nicht herablassend.
Nur ehrlich.
Denn ich kenne die Freiheit.
Ich habe sie gekannt.
Früher –
in einer anderen Welt.
In einem anderen Leben.
Bevor ich hierher kam.
Bevor ich alles verlor.
Und sie?
Sie kennt sie nicht.
Nicht einmal im Traum.
Das ist der wahre Schmerz.
Nicht die Ketten aus Eisen.
Sondern die Ketten im Herzen.
Die Ketten im Herzen
sind die schwersten von allen.
Sie klirren nicht.
Sie bluten nicht.
Aber sie halten fester als jedes Eisen.
Und ich sehe sie in ihr.
Tief.
Unsichtbar für die,
die nur auf Haut und Haltung achten.
Aber ich sehe sie.
Weil ich sie selbst getragen habe.
Ich werde sie befreien.
Nicht nur, um sie zu retten.
Nicht nur, um sie aus ihrer Rolle zu holen.
Sondern weil ich dabei auch mich befreie.
Denn solange andere noch in Ketten leben,
bin ich selbst kein freier Mann.
Und wenn ich einen Weg finde,
ihre Mauern zu sprengen –
finde ich vielleicht auch einen Weg,
meine eigenen zu durchbrechen.
POV Nadia
Er beobachtet mich.
Ich weiß nicht genau warum.
Aber es fühlt sich nicht falsch an.
Nicht wie sonst.
Nicht wie die Blicke, die Besitz fordern,
die dich ausziehen, bevor du überhaupt atmest.
Sein Blick ist anders.
Er sieht mich nicht an wie eine Sklavin.
Nicht wie ein Geschenk.
Nicht wie eine Pflicht.
Sondern…
als würde er mich studieren.
Nicht neugierig.
Nicht kalt.
Still.
Respektvoll.
Als wollte er verstehen,
was unter meiner Haut liegt.
Hinter meinem Blick.
Hinter dem, was ich gelernt habe zu sein.
Vielleicht will er mich unterstützen.
Vielleicht…
will er nur sicherstellen,
dass ich nicht falle.
Ich weiß es nicht.
Aber zum ersten Mal seit Langem
fühlt sich ein Blick
nicht wie eine Kette an.
Ich frage mich,
warum er mich so anschaut.
Nicht fordernd.
Nicht gierig.
Nicht wie ein Mann,
der etwas von mir will.
Sondern still.
Wie jemand,
der etwas erkennt,
das selbst ich lange nicht mehr gesehen habe.
Ich nenne ihn „Meister".
Weil ich es muss.
Weil es erwartet wird.
Aber in diesem Moment frage ich mich:
Ist er wirklich mein Meister?
Oder ist er einfach nur der Erste,
der mich nicht als Werkzeug sieht?
Die Kette um mein Herz…
sie zieht sich nicht zusammen.
Nicht wie sonst.
Nicht wie immer.
Sie wird… lockerer.
Nur ein bisschen.
Ein kaum spürbares Nachgeben.
Aber genug,
um zu wissen:
Etwas ist anders.
Und vielleicht…
beginnt hier
etwas,
das ich nie für möglich gehalten hätte.
POV Spartan
Sie sieht mich an,
als hätte ich etwas Falsches gesagt.
Ihr Blick ist scharf,
aber nicht wütend.
Eher…
verwirrt.
Zerbrechlich.
Ich öffne den Mund,
wollte gerade etwas sagen,
etwas klären,
als sie sich plötzlich bewegt.
Schnell.
Unvermittelt.
Echt.
Sie stößt sich ab,
tritt nach vorne –
und umarmt mich.
Ein Ruck.
Kein Zögern.
Kein Wort.
Nur ihre Arme um meinen Körper.
Fest.
Zitternd.
Und dann bricht es aus ihr heraus.
Tränen.
Sie schluchzt nicht laut.
Aber ich spüre, wie ihre Schultern beben.
Wie sich all das,
was sie so lange getragen hat,
endlich entlädt.
Weil ich…
weil ich sie nicht wie eine Sache behandelt habe.
Weil ich der erste Mensch bin,
der sie wie einen Menschen sieht.
Ich halte sie.
Still.
Kein Wort.
Denn es gibt Momente,
in denen Stille heiliger ist als jede Erklärung.
Und dieser Moment
gehört ganz ihr.
Ich halte sie noch immer.
Spüre, wie ihre Tränen langsam versiegen,
wie ihre Atmung sich beruhigt,
aber ihr Körper noch angespannt bleibt –
als könnte er nicht glauben,
dass es gerade geschieht.
Ich senke den Kopf ein wenig,
spreche nicht laut,
nicht fordernd.
Nur… leise.
Ehrlich.
> „Was würdest du tun…
wenn du frei wärst?"
Ich spüre, wie sie leicht zusammenzuckt.
Nicht vor Angst –
sondern, als hätte sie die Frage noch nie gehört.
Als würde der Gedanke selbst
ein verbotenes Flüstern in ihrem Herzen sein.
Nach einem Moment frage ich weiter,
noch leiser.
> „Und… wer sind sie?
Diejenigen,
die dir so viel genommen haben?
Die dich…
zu dem machen wollten, was du nicht bist?"
Ich sehe sie nicht an,
ich halte sie nur.
Denn das hier ist kein Verhör.
Es ist eine Einladung.
Zu sprechen.
Zu antworten.
Oder zu schweigen.
Ganz, wie sie es will.