Treffen

„Du hast gewonnen. Gut, ich habe dich ja schließlich höchstpersönlich trainiert.“

Wer ist sie, dass sie es wagt, mich in meinem eigenen Haus zu ignorieren?

Warte mal… Der war ihr Schüler und wusste nicht, ob sie ihn trainiert hat oder nicht? Das wäre doch eigentlich klar, wenn man einen Mentor hat.

Ich ging durch das große Tor hindurch in einen Flur, der von kleinen Fackeln an den Wänden erleuchtet wurde. In der Mitte lag ein roter Teppich, der bis zu einer Tür reichte, die mit goldenen Verzierungen geschmückt war.

Dort war der Besprechungssaal. Ich war als Kind nur ein paar Mal dort gewesen, zum Beispiel, als ich zur Schule eingeschult wurde und ein Lehrer zu uns nach Hause kam.

Aber ich hatte mich komplett blamiert. Das sind keine schönen Erinnerungen. Dennoch wurde ich damals aufgenommen – nur um dann die gesamte Zeit über gemobbt zu werden.

Egal. Das war früher. Dieses Mal habe ich die Erfahrung aus meinem anderen Leben. Ich werde es schaffen.

Die große Frau, die ihrem Schüler entgegenging, klopfte dreimal an die Tür und öffnete sie dann.

Ein vergleichsweise kleiner Saal eröffnete sich, in dessen Mitte ein langer Tisch mit etwa zwanzig Stühlen stand. Ich ging zu meinem Vater – dem Vater dieser Welt – der mich nervös ansah, dann aber zu einem neutralen Gesichtsausdruck wechselte, als sie sich auf der anderen Seite des Tisches setzte.

Er stand auf und sagte:

„Wir haben dieses Treffen heute, um einen Deal auszuhandeln: Fremocy wird euch beim Töten der Orks unterstützen, die euch schon lange ein Dorn im Auge sind. Im Gegenzug bekommen wir Hilfe beim Wiederaufbau meiner Familie in der Hauptstadt Tura. Auch wenn das nach viel klingt, können wir au–“

„Jaja, ihr könnt noch Geld drauflegen. Aber so wenig wie dein Taugenichts da kann, könntest du das alles auch selbst bezahlen. Der wird uns bei der Beseitigung dieser Orks nichts bringen. Der konnte nicht mal ein Luxi töten – und das sind nur schwebende Lichter, die bei der kleinsten Menge Mana explodieren.“,

sagte sie, während sie auf eine der goldenen Figuren zeigte, die ein Licht in der Hand hielt – wie die draußen. Das Licht wurde immer heller, bis es in einer plötzlichen Explosion erlosch.

„Könnten Sie das nächste Mal wenigstens etwas sagen, wenn Sie einen meiner Besitztümer zerstören?“

„Wieso? Ihr wollt doch nach Tura, oder etwa nicht? Ich bin die Einzige aus der Innenstadt, die sich so weit herablässt, einer außenadeligen Familie einen Gefallen zu tun. Was willst du tun – mich rauswerfen? Nein, das würdest du nicht wollen, oder?“,

sagte sie, sah in unsere Richtung, lächelte selbstzufrieden und blickte auf uns herab, obwohl wir auf gleicher Höhe saßen.

Dann lehnte sie sich zurück, legte die Beine auf den Tisch und grinste uns breit an.

Als mein Vater sie ansah, verschwand für einen Moment seine Fassade. Seine Wut blitzte auf, und für eine Sekunde lag eine erdrückende Aura im Raum. Doch so schnell, wie sie gekommen war, war sie auch wieder verschwunden, als er mich ansah.

„Wenn Sie das so sehen, dann lassen Sie doch ihren anderen Schüler gegen meinen Sohn kämpfen.“

„Akzeptiert. Zumi Ausgard.“,

sagte sie mit einem gelangweilten und leicht genervten Ton, der nicht zu überhören war.

Ein kleines Mädchen, etwas über einen Meter groß, stand neben ihr auf, ging zur rechten Seite des Tisches und blieb in der Mitte stehen. Sie hatte rote Haare, die zu einem Zopf geflochten waren, der ihr bis zu den Knien reichte. Sie trug einen weißen Anzug mit etwas Rüstung an den wichtigsten Stellen, die scheinbar direkt an den Stoff geklebt war.

Mein Vater sah mich an und gab mir ein bestätigendes Nicken. Ich stand auf und ging zur linken Seite.

Sie blickte zu mir herauf – mit einem Ausdruck, der nicht zu einem so jungen Mädchen passen sollte. Sie sah mich an, als wäre ich der Kleinere von uns beiden. Doch ich ließ mich nicht einschüchtern und ergriff die Hand, die sie mir reichte, um den Kampf zu beginnen.

Um uns herum erschien ein leuchtender Kreis aus Mana, der uns einhüllte – und dann verschluckte.

Eine große Fläche erschien weit unter uns. Die Plattform, die unter uns aufgetaucht war, brach in zwei Teile und driftete auseinander, während wir mit ihr nach unten zur weiten Ebene fielen.

Diese wurde immer größer, bis wir mit einem gewaltigen Krachen auf ihr aufprallten. Doch obwohl wir mehrere Hundert Meter gefallen waren, hatten weder wir noch die beiden Plattformen unter uns Schaden genommen.

Neben mir steckte mein Schwert im Boden der weiten Grasfläche, die sich nun endlos auszudehnen schien – ohne erkennbares Ende.

Eine Stimme in meinem Kopf sagte:

„So soll das Duell zwischen Zumi Ausgard und Fremocy beginnen in… drei!“

Ich nahm das Schwert fest in die Hand und hielt es vor mich – bereit, mich gegen jede kommende Attacke zu verteidigen.

„Zwei!“

Das letzte Mal war so erschütternd, dass ich nichts tun konnte. Diesmal muss ich etwas anders machen – um zu gewinnen, nicht nur, um zu überleben!

„Eins!“

Ich wechselte meine Haltung und senkte mein Schwert leicht, um eine Öffnung zu schaffen, die sie nutzen sollte.

Ich hatte zwar keinen Helm auf, aber trotzdem fühlte ich mich sicherer als je zuvor.

Ich sah sie an. Ihre Augen zeigten kurz Überraschung, doch wechselten sofort wieder in diesen nervigen Blick, mit dem sie auf mich herabsah – begleitet von einem leichten, arroganten Lächeln.

Gut, sie hat angebissen.

„Edne!“

Sie sprang sofort auf mich zu – doch ich wartete. Ich wartete auf den perfekten Moment zum Zuschlagen. Jetzt war sie nur noch eine Armlänge entfernt.

Sie zielte auf die scheinbare Lücke in meiner Verteidigung – auf Brusthöhe – und stach zu. Doch kurz bevor ihr Schwert mich treffen konnte, schlug ich meines zur Seite.

Jetzt war mein Schwert direkt vor ihr – sie musste nur noch durch ihre eigene Bewegung hineinlaufen. Ich stieß zu, das Schwert raste auf sie zu.

Aber sie drehte sich geschickt zur Seite, flog an mir vorbei und fing sich mit Hilfe ihres Schwertes, das sie nach mir schwang – ich musste es abwehren.

Jetzt stand sie links hinter mir. Ich drehte mich zu ihr um, gerade als sie einen Schwerthieb auf mich warf.

Ich konnte mich im letzten Moment ducken, das Schwert schwang über meinen Kopf hinweg und schnitt mir etwas von den Haaren ab.

Ich nahm mein Schwert in die linke Hand und zog es in Richtung Zumi. Es war kein schneller Angriff, aber er traf sie am Bauch.

Eine Barriere erschien dort – der übliche Schutz bei Duellen, damit man nicht stirbt. Doch auch wenn der Schmerz etwas gelindert ist, fühlt es sich fast wie ein echter Treffer an. Der Schaden wird sogar simuliert, um den Kampf realistischer zu machen.

Sie zuckte zusammen , doch jetzt grinste sie noch breiter als vorher.

Ich holte zu einem weiteren Hieb aus – doch als sie ihr Schwert nicht zur Verteidigung, sondern zum Angriff hob, zielte ich nicht mit der klinge auf ihren ungeschützten Rücken, sondern mit den knauf und benutzte die klinge zum parieren ihres Schwertes , das gefährlich nah an mich herankam.

Ich griff mit dem Knauf meines Schwertes an – spitz am unteren Ende meines Griffes .

Die beiden Klingen sprühten Funken beim Aufprall, als mein Schwert gegen ihres schliff. Mein Angriff schien zu funktionieren.

Die Barriere erschien genau in dem Moment, als nur noch die Spitze meines Schwertes ihres auhielt mich durchbohren zu können.

Sie verlor die Kraft in ihrem Schwertarm und fiel zu Boden – besiegt.

Puh, das war knapp. Ich glaube, ich kann nicht mehr.

Aber… warum hat sie gelächelt, als ich sie angegriffen habe?

„Eins!“

Ich hätte nie gedacht, dass ich so gut in Schwertkunst bin.

„Zwei!“

Das Duell war so schwer. Wenn ich doch nur Magie hätte einsetzen dürfen – dann wäre es viel einfacher gewesen, und ich hätte mich nicht so verausgaben müssen, nur um gegen ein kleineres Mädchen zu gewinnen.

Schließlich ist es bei inoffiziellen Schwertkämpfen erlaubt, Magie zu benutzen.

„Drei!“

Wenn sie Magie eingesetzt hätte, hätte ich klar verloren. Sie kann doch Magie, oder?

Aber warum hat sie sie dann nicht benutzt? War es Empathie? Nein… sie und Empathie passen nicht zusammen. Eher Gleichgültigkeit?

Egal, ich habe gewonnen.

„Tra–“

Was…? Ein Fehler in der Duell-Magie?

Nein… das kann nicht sein…