Anne stand da, ihr Verstand ein verworrenes Durcheinander widersprüchlicher Gedanken. Augustines Worte zwangen sie zum Nachdenken. Sein Angebot war nicht nur verlockend – es war lebensverändernd.
Wenn sie ihn heiratete, würde sie Denis' Schwägerin werden, niemand mehr, den er demütigen oder wegwerfen könnte. Als Augustines Ehefrau hätte sie Macht, Schutz und Freiheit von der Verletzlichkeit, die sie seit Jahren plagte. Niemand würde es mehr wagen, auf sie herabzusehen.
Als er ihr Zögern spürte, fügte Augustine hinzu: "Ich weiß, dass dein Vater im Koma liegt. Ich kann das beste medizinische Team für die Behandlung deines Vaters organisieren. Du wirst dir nie wieder Sorgen um Geld machen müssen."
Anne schwieg noch immer und dachte über seine Worte nach. Die erdrückende Last der Arztrechnungen und die schlaflosen Nächte, in denen sie sich um seine Gesundheit sorgte, hatten ihre Kraft aufgezehrt. Doch selbst bei einem so verlockenden Versprechen nagte der Zweifel an ihr.
Konnte sie sich wirklich an jemanden binden, den sie kaum kannte?
Augustine lächelte und blickte auf seine Beine hinab. "Bist du unwillig, weil ich Denis' Cousin bin? Oder liebst du ihn noch immer."
Anne blinzelte überrascht. "Nein!", platzte es aus ihr heraus, während sie den Kopf schüttelte. "Ich habe ihn geliebt, aber nicht mehr."
Ihr Motiv war es, diejenigen zu bestrafen, die ihr wehgetan hatten. In ihrer jetzigen Position war sie machtlos gegen Denis und Tania. Aber als Augustines Frau könnte sie alles verändern. Sie hätte endlich die Mittel, um zurückzuschlagen.
Dennoch brannte eine Frage in ihrem Kopf, die sich nicht zum Schweigen bringen ließ. "Ich verstehe es einfach nicht. Warum ich, Augustine? Seien wir ehrlich. Du bist wohlhabend, mächtig und gutaussehend. Frauen aus angesehenen Familien würden die Chance ergreifen, dich zu heiraten. Aber du machst mir einen Antrag. Warum?"
Misstrauen flackerte in ihrem Blick. "Ich bin nur eine Sekretärin aus einer gewöhnlichen Familie. Ich bin nicht qualifiziert, deine Frau zu sein. Also warum wählst du mich?"
Augustine antwortete nicht sofort. Stattdessen ließ er ein langsames, wissendes Lächeln seinen Mundwinkel umspielen. Er streckte die Hand aus und nahm ihre. Seine Berührung war sanft und warm und ließ ihr Herz rasen.
"Wenn ich dir sagen würde, dass ich dich mag, würdest du mir glauben?"
Anne stockte der Atem. 'Mögen?' Die Worte klangen fast lächerlich, zu unwirklich, um sie ernst zu nehmen. Instinktiv zog sie ihre Hand zurück, und ein ungläubiges Lachen blubberte in ihr auf.
"Mach keine Witze", murmelte sie. "Ich bin nicht so naiv."
Augustines Lächeln erstarb und wurde bitter, als er auf seine leere Hand blickte. Anne hatte sich so schnell zurückgezogen, als hätte seine Berührung sie verbrannt.
Und warum sollte sie ihm nicht misstrauen?
Er hatte ihr nie einen Grund gegeben, etwas anderes zu glauben. Er hatte sie jahrelang aus der Ferne beobachtet, immer Gleichgültigkeit vorgetäuscht, als wäre sie unsichtbar.
Er holte langsam Luft, schob seine Hände in die Taschen und schaute weg.
"Denis und ich standen uns nie nahe", erklärte er. "Wir haben seit unserer Kindheit konkurriert. Immer im Widerstreit. Ich habe meine Eltern verloren, als ich jung war. Seitdem war mein Leben hart. Anders als er musste ich für alles kämpfen. Nichts kam leicht. Aber er bekam alles in den Schoß gelegt."
Sein Kiefer spannte sich an, die Fäuste in seinen Taschen ballten sich. "Er stieg einfach so zum Präsidenten auf. Kein Kampf, kein Opfer. Nur das Privileg, der ältere Sohn der Familie zu sein."
Er hielt inne, traf Annes Blick, sein Gesichtsausdruck verhärtete sich mit Entschlossenheit. "Ich will es ihm heimzahlen. Und du..." Er trat näher, "du bist perfekt dafür."
Anne versteifte sich, gefangen zwischen Überraschung und Misstrauen.
"Du bist klug. Schön", fügte er hinzu, seine Stimme wurde sanfter, "fähig. Du hast drei Jahre an seiner Seite gearbeitet. Ich bin sicher, du kennst mehr von seinen Geheimnissen als jeder andere."
Anne verstand seine Absicht. Ihre Ziele passten perfekt zusammen: Denis zu Fall bringen. Sie dachte, sie würde sich mit ihm verbünden. "Okay, ich werde dich heiraten."
Augustine lächelte siegreich.
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Denis stürmte in das Büro seines Vaters, die Türen schwangen hinter ihm mit einem dumpfen Schlag zu. Er fand seinen Vater grübelnd vor. "Was ist los?", fragte er, seine Stirn runzelte sich. Er hatte seinen Vater noch nie so beunruhigt gesehen.
Gabriel atmete langsam aus und rieb sich die Schläfe. "Augustine ist zurück", knurrte er. "Und das gefällt mir nicht. Ich fürchte, er wird versuchen, uns alles wegzunehmen."
Denis versteifte sich, die bloße Erwähnung seines Cousins entfachte eine alte, vertraute Wut. "Unmöglich", knurrte er. "Er war jahrelang außer Landes. Er gehört nicht mehr hierher. Dies ist unser Territorium. Nichts geschieht in dieser Stadt ohne unser Einverständnis. Wenn er es wagt, sich uns zu widersetzen, wird er spurlos verschwinden."
Er schlug mit der Faust auf den Tisch. Der kristallene Stiftehalter klapperte durch den Aufprall.
Gabriel verzog das Gesicht und winkte seinem Sohn, sich zu beruhigen. "Beherrsche dein Temperament, Denis", warnte er. "Augustine ist nicht mehr der machtlose Junge, den wir einst kannten. Er hat sich verändert – stärker, schärfer. Und ich kann das Gefühl nicht abschütteln, dass jemand Mächtiges hinter ihm steht."
Denis' Stirnrunzeln vertiefte sich. Er hatte es auch bemerkt – das ruhige Selbstvertrauen in Augustines Verhalten, die kalte Herausforderung in seinen Augen – das war unverkennbar. Dieser introvertierte Junge, den er früher verspottet hatte, war verschwunden. Dieser Augustine war berechnend und unnachgiebig. Er hatte es sogar gewagt, sich ihm zu widersetzen.
Gabriels Gedanken wanderten zu ihrer morgendlichen Begegnung. "Er kam früher zu mir", murmelte er. "Sagte, jemand habe an seinem Auto herumgepfuscht. Er hätte in diesem Wrack sein sollen, aber er entkam. Er fuhr stattdessen mit einem Freund, und sein Fahrer nahm den Schlag ab. Ich habe das Gefühl, dass er uns verdächtigt."
Als er den Worten seines Vaters lauschte, wurde Denis noch ernster. Zum ersten Mal seit Jahren spürte er etwas Beunruhigendes in seiner Brust.
"Wir müssen vorsichtig sein", mahnte Gabriel. "Wir können nicht zulassen, dass der alte Mann von unseren Plänen Wind bekommt. Er hält immer noch dreißig Prozent der Unternehmensanteile. Wenn er beschließt, diese an Augustine zu übergeben, wird dein Cousin zum Hauptaktionär. Er wird die Macht haben, das gesamte Unternehmen zu kontrollieren und uns herumzukommandieren."
"Das wird niemals passieren." Denis' Augen blitzten vor Wut. "Das Vermögen der Beaumonts und dieses Unternehmen gehören rechtmäßig mir. Ich bin der ältere Sohn. Der wahre Erbe. Niemand kann mir meine Macht und Position stehlen."
Seine Fäuste waren so fest geballt, dass seine Knöchel knochenweiß wurden. Er konnte den Puls seiner eigenen Wut spüren, heiß und unerbittlich. "Augustines Eltern sind vor Jahren gestorben. Er hat nur überlebt, weil die Familienältesten Mitleid mit ihm hatten. Er ist nichts ohne unsere Gnade. Wenn er es wagt, zurückzukehren und mich herauszufordern, wird er das gleiche Schicksal erleiden wie zuvor – hinausgeworfen, in Ungnade gefallen und vergessen."
Denis sprang auf und stürmte hinaus. Zurück in seinem eigenen Büro griff Denis nach seinem Telefon und wählte sofort Annes Nummer. Die Leitung klingelte einmal... zweimal... dann verstummte sie. Seine Stirn runzelte sich. Er wählte erneut. Gleiches Ergebnis.
"Du hast Nerven", murmelte er durch zusammengebissene Zähne. "Anne Clair." Er umklammerte das Telefon so fest, dass seine Finger blass wurden. "Du wirst es bereuen. Selbst wenn du mich anflehst, werde ich dir nicht verzeihen."
Er warf das Telefon auf den Schreibtisch.
Klopf-Klopf...
Denis' Blick schnellte zum Eingang, seine ohnehin schon schlechte Laune verdüsterte sich noch mehr, als er sah, wer es war.
Tania.
"Warum bist du hergekommen?", bellte er.
Sie stand da, zögerte einen Moment, als sie seinen stürmischen Gesichtsausdruck wahrnahm. Das Feuer, das in seinen Augen brannte, ließ sie zögern, aber sie erholte sich schnell und milderte ihre Züge zu einem besorgten Blick.
"Ich habe mir Sorgen um dich gemacht", murmelte sie und überbrückte die Distanz zwischen ihnen. "Also bin ich gekommen, um nach dir zu sehen."
Er wandte sich ab, schritt zu seinem Stuhl und ließ sich mit einer Aura der Erschöpfung darauf sinken. "Dies ist mein Arbeitsplatz. Du solltest nicht ständig hier auftauchen."
Die Wahrheit war, dass Annes Trotz ihn bereits erschüttert hatte, und das Letzte, was er brauchte, war mehr Öl ins Feuer zu gießen.
Tania spielte mit ihren Fingern. Missfallen huschte über ihr Gesicht, aber sie maskierte es schnell mit gespielter Verletzlichkeit. "Ich wollte über das Baby sprechen", murmelte sie und verbarg ihre Irritation.
Denis' Blick huschte zu ihr, seine Gereiztheit stieg. "Ich habe dir gestern Abend gesagt – ich werde Verantwortung für das Baby übernehmen. Du wirst alles haben, was du brauchst. Aber dich heiraten? Das wird nicht passieren."
"Warum nicht?", drängte sie, ihre Stimme wurde lauter. Sie trat auf ihn zu. Die Maske rutschte und enthüllte rohe Verzweiflung. "Du liebst mich. Wenn nicht, wärst du nicht jeden Tag gekommen, um mich zu sehen, seit ich zurück bin. Denis." Sie zog an seinem Arm. "Wir lieben uns. Warum quälen wir uns, indem wir getrennt bleiben?"
Denis zog seine Hand zurück, sein Zögern war deutlich. "Tania..."
Aber sie ließ ihn nicht ausreden.
"Du magst Anne nicht", warf Tania ein. "Sie war nur ein Ersatz. Ein Platzhalter. Aber jetzt bin ich zurück. Es ist doch gut, dass sie mit dir Schluss machen will, oder? Endlich können wir zusammen sein – wie wir es immer geplant haben."
Denis' Gesichtsausdruck verdüsterte sich, und er sprang auf. "Du hast mich zuerst verlassen, erinnerst du dich?"
Tania geriet in Panik. Sie hatte nicht erwartet, dass sein Zorn so schnell aufflammen würde. "Ich weiß", flehte sie. "Ich war leichtsinnig. Unreif. Aber ich bin jetzt hier, bereit, es wieder gutzumachen. Dieses Kind", sie nahm seine Hand und legte sie auf ihren Bauch, "lass uns unserem Baby eine vollständige Familie geben."
Unsicherheit huschte über sein Gesicht, aber unter all dem war etwas Kälteres – Groll, Misstrauen und der bittere Stich des Verrats, den Liebe allein nicht auslöschen konnte.
Denis wich zurück und zog seine Hand aus Tanias Griff. "Ich habe dir bereits gesagt – ich werde Verantwortung für dich und das Baby übernehmen. Es wird dir an nichts fehlen. Aber mit Anne Schluss zu machen, ist keine Option."