Wo ist sie?

Adam Collins saß schweigend am Frühstückstisch, seine Präsenz schwer und bedrückend, die wie eine Gewitterwolke auf dem Raum lastete. Die Atmosphäre war angespannt, doch das hielt seine liebe Mutter nicht davon ab, sich um ihren älteren Sohn zu kümmern, indem sie entschlossen Obst auf Spencers Teller häufte, als könnte die einfache Geste mütterlicher Fürsorge das Unbehagen in der Luft auslöschen. Er schmunzelte. Er war bereits daran gewöhnt und es störte ihn überhaupt nicht.

Eine Weile ließ er die drei Personen so tun, als wäre er nicht da, und beobachtete, wie sie unbeholfen versuchten, ihre Mahlzeit fortzusetzen. Aber als er schließlich genug von ihrer wortlosen Vermeidung hatte, durchbrach er die Stille. Er mochte zwar kein Interesse an diesen Clowns haben, aber er hatte Interesse an jemandem.

"Wo ist Melanie?", fragte er mit kalter Stimme.

Die Reaktion war sofort und seltsam. Adams scharfer Blick glitt über die drei hinweg und bemerkte, wie sie alle bei der Erwähnung ihres Namens erstarrten. Ein schneller Blick wurde zwischen ihnen ausgetauscht, aber Spencers Reaktion stach am meisten hervor. Der Mann wurde völlig blass, sein Griff um die Gabel verstärkte sich, bevor er sich zwang, wegzuschauen.

Es war ihre Mutter, die schließlich sprach, ihr Ton knapp und abweisend. "Sie ist für ein paar Tage bei ihren Freunden. Was geht dich das an?"

Eine Lüge. Und eine offensichtliche noch dazu.

Adam runzelte die Stirn. Sie versuchte nicht einmal, es überzeugend klingen zu lassen.

Sein Verstand ging die Fakten durch. Das letzte Mal, als er Melanie gesehen hatte, war sie mit Spencer zum Abendessen gegangen, um einen Kunden zu treffen. Das war vor drei Tagen gewesen, und seitdem war sie nicht zurückgekehrt. Drei Tage waren nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste, aber es gab etwas an der Situation, das ihn beunruhigte.

Seine Stimme senkte sich leicht, seine Worte waren abgewogen und bedacht, als er sie befragte: "Es sind drei Tage vergangen. Ich verstehe, dass sie vielleicht Abstand von euch allen braucht, aber warum kommt sie nicht ins Büro?"

Spencer räusperte sich und rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. Als er schließlich sprach, kamen seine Worte zögernd heraus, fast einstudiert. "Ähm... du weißt, dass sie seit drei Jahren keinen einzigen Tag frei genommen hat. Ich dachte nur... vielleicht verdient sie eine richtige Pause."

Adam betrachtete ihn aufmerksam, sein Gesichtsausdruck unlesbar. Die Erklärung mochte oberflächlich vernünftig klingen, aber Spencers nervöses Verhalten verriet ihn.

Er lehnte sich leicht zurück, seine Finger trommelten in einem gleichmäßigen Rhythmus auf die Tischkante, wie Nägel, die auf einen Sarg klopfen: "Heute Abend ist eure Hochzeitsjubiläumsfeier. Und sie ist immer noch nicht hier. Sag mir nicht, dass sie auch davon eine Pause macht. Ich bin sicher, Großvater würde das gerne sehen. Er wird in ein paar Stunden hier sein."

In dem Moment, als die Worte seinen Mund verließen, entging ihm nicht, wie die drei erneut einen unbehaglichen Blick austauschten, ihre Anspannung war greifbar. Es war subtil, aber nicht subtil genug. Sie verheimlichten etwas. Und in diesem Moment wusste Adam mit absoluter Sicherheit – sein Bauchgefühl hatte die ganze Zeit recht gehabt.

Melanie besuchte keine Freunde. Das war offensichtlich.

Aber wenn sie nicht bei ihnen war... wo war sie dann?

Sein Kiefer spannte sich an, während er über die Möglichkeiten nachdachte. Heute war nicht irgendein Tag. Es war die Frist, die er ihr gesetzt hatte – der letzte Tag, an dem sie eine Entscheidung treffen musste.

Und bei dem, was er über Melanie wusste, war es höchst unwahrscheinlich, dass sie einfach verschwinden würde, um ihm aus dem Weg zu gehen. Nein, das war nicht ihre Art.

Während er nachdachte, meldete sich Spencer zu Wort, diesmal mit Klarheit: "Heute Abend werde ich mich um alles kümmern, und natürlich wird sie bis dahin hier sein. Erzähl keinen Unsinn. Und ich weiß, dass Großvater in ein paar Stunden ankommt. Sie wird bis dahin hier sein! Sie hat es wahrscheinlich vergessen oder schläft vielleicht aus."

Adam schnaubte darüber und stand auf: "Nun gut. Dann freue ich mich auf diese Ankunft."

Bevor er sich umdrehen konnte, meldete sich Hallie zu Wort. "Warum ist es für dich überhaupt wichtig, wann sie ankommt oder was sie tut, Adam?"

Adam erstarrte. Dann drehte er sich mit einer langsamen Bewegung zu ihr um. Sein Blick war kalt, abschätzend – wie ein Raubtier, das unbedeutende Beute mustert. Und sie dann als seiner Beute unwürdig erachtet.

"Kennst du mich?" Seine Stimme war leise, aber das Gewicht dahinter ließ die Luft schwerer erscheinen.

Hallie runzelte die Stirn. "Du bist Spencers jüngerer Bruder..."

Adams Lippen kräuselten sich, aber es lag keine Belustigung darin. "Ich habe nicht gefragt, mit wem du glaubst, dass ich verwandt bin. Ich habe gefragt, ob du mich kennst." Er ließ die Worte einen Moment lang in der Luft hängen und beobachtete, wie Unbehagen über ihr Gesicht huschte. Dann fügte er mit einer Stimme, die nichts als Verachtung trug, hinzu: "Da du das nicht tust, sprich meinen Namen nicht so beiläufig aus. Ich mag das nicht."

Damit verließ Adam das Haus und ließ die Menschen zurück, die es wagten, sich seine 'Familie' zu nennen.

Aber sobald er draußen war, zog er sein Handy heraus und tätigte einen Anruf: "Findet heraus, wo Melanie Collins ist. Ich will Antworten in der nächsten Stunde."