Kapitel 9: Ein Plan

Kapitel 9: Ein Plan

Selenes Büro –

Selene saß in ihrem Bürostuhl, ihr Gesichtsausdruck feierlich, aber voller Irritation.

Ihre Finger, die leicht auf dem Schreibtisch ruhten, zuckten, als würden sie einen Impuls zurückhalten.

Ihr gegenüber stand eine schwarzhaarige Frau mit roten Augen.

Ihre Ähnlichkeit mit Ester war auffallend.

Sie war Sari—Esters Mutter. Selenes Schatten.

Saris Stimme war ruhig und kalt, als sie die Nachricht überbrachte.

"Die königliche Familie hat einen Brief geschickt. Die Kaiserin und Prinzessin Sophie werden bald eintreffen, um mit Ihnen zu sprechen."

Selene runzelte die Stirn.

Sie war keine Närrin. Wenn Emily und Sophie zu dieser Zeit gemeinsam kamen, war der Grund sonnenklar.

"Also... so ist das, hm?"

Ein Knacken hallte durch den Raum.

Die Luft wurde dichter, Druck breitete sich in einer eisigen Welle aus.

Das gesamte Anwesen der Weaverheart erzitterte—als würde die Welt selbst auf Selenes aufkommende Wut reagieren.

Wände ächzten. Eis kroch über den Boden. Die Struktur des Herrenhauses bebte.

Es war, als hätte ein Erdbeben eingeschlagen.

Sari blieb stehen, ihr Gesichtsausdruck ruhig, aber mit leicht gerunzelter Stirn.

"...Meine Dame," sagte sie gleichmäßig und trug die volle Last von Selenes Präsenz, "wenn das so weitergeht, wird das gesamte Anwesen in Panik geraten."

Selene antwortete nicht.

Sari seufzte. "Der junge Herr Noah könnte bei diesem Tempo verletzt werden."

Stille.

Die Erschütterungen hörten sofort auf.

Selene lehnte sich zurück, ihre Nägel tippten rhythmisch gegen das gefrorene Holz.

"Sie wagen es...?" Ihre Stimme war sanft, aber die Bosheit darunter war unverkennbar.

"Alles wegen des Sohnes dieses Bastards Oliver?"

Sie schnaubte verächtlich.

"Nur weil er der Auserwählte ist, denken sie, sie können die Verlobung so einfach auflösen?"

Ihre violetten Augen leuchteten mit gefährlicher Absicht.

"Sag mir, Sari—kann dieser Bengel überhaupt mit meinem Sohn verglichen werden?"

Saris Gesichtsausdruck veränderte sich nicht.

Innerlich jedoch?

Sie dachte.

'Nun... objektiv betrachtet, ja. Vielleicht sogar mehr.'

Aber würde sie es wagen, das zu sagen?

Nicht einmal, wenn der Tod selbst über ihr schwebte.

Also gab sie die sicherste mögliche Antwort.

"Niemand ist mit dem jungen Herrn Noah vergleichbar, meine Dame."

Selene lächelte.

Zufrieden.

"...Egal."

Ihre Finger wurden ruhig und strichen über die frostbedeckte Oberfläche ihres Schreibtisches.

"Sie können tun, was sie wollen."

"Aber wenn ich auch nur eine Spur von Traurigkeit im Gesicht meines Babys sehe..."

Ihre Stimme war leicht, fast beiläufig.

Aber das Versprechen darin war absolut.

"...wird die Hauptstadt in ewigem Eis erstarren."

Sari schloss kurz die Augen, bevor sie ausatmete.

'Natürlich. Das habe ich erwartet.'

Sie drehte sich um und versank bereits in den Schatten. "Ich werde ihn informieren, meine Dame."

Und damit verschwand sie.

Selene lehnte sich zurück und atmete tief aus.

In ihrem Kopf kicherte eine vertraute Stimme.

'Wirst du wirklich die Hauptstadt einfrieren, wenn Noah traurig ist?'

Luminara.

Selene grinste. 'Du kennst mich doch, oder?'

'Das tue ich.'

'Dann, denkst du, ich würde es tun?'

'...Ja.'

'Dann hast du deine Antwort.'

Verrückte Schlampe.

...

Noah spürte es.

Der Boden unter ihm bebte, ein unerträgliches Gewicht drückte gegen seinen Körper.

"...Was zum Teufel?"

Seine Knie gaben nach, ein erstickender Druck drohte, ihn zu Boden zu bringen.

Und genauso schnell wie es kam—

Verschwand es.

Noah setzte sich hin und atmete schwer.

"Das war..." Er runzelte die Stirn und rieb sich die Schläfen.

[Jemand hat das volle Gewicht seiner Existenz und Aura entfesselt.]

Eine vertraute Stimme hallte in seinem Kopf wider.

[Wahrscheinlich deine Mutter.]

Noah schnalzte mit der Zunge. "Tsk. Was macht sie diesmal?"

Dann schüttelte er den Kopf.

Es gab Wichtigeres, auf das er sich konzentrieren musste.

Seine Augen wurden schärfer.

"Ich brauche einen Plan. Einen Weg, Prinzessin Sophie dazu zu bringen, sich in mich zu verlieben."

Er tippte mit den Fingern auf den Boden.

Im ursprünglichen Roman, nachdem sein früheres Ich sein erbärmliches D-Rang-Talent erweckt hatte, würdigte sie ihn keines Blickes mehr.

Prinzessin Sophie war stolz, rücksichtslos und ehrgeizig.

Sie interessierte sich nur für eine Sache.

Macht.

Deshalb hatte sie so eifrig eine Verlobung mit Elijah, dem Auserwählten, vorgeschlagen.

Mit ihm an ihrer Seite war ihr Weg zum Thron so gut wie garantiert.

Tatsächlich sah sie ihn anfangs so. Ein Werkzeug, das benutzt werden sollte, um die erste herrschende Kaiserin von Castria zu werden.

Aber—Noah wusste.

In Kapitel 50 hatte sie sich bereits in ihn verliebt.

"Verdammtes Klischee."

Noah schnaubte und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

Aber Klischee hin oder her, sie war zu wertvoll, um sie gehen zu lassen.

Ihr Talent, Arkanesynthese, war viel zu nützlich, um es zu verpassen.

Sie konnte verschiedene Objekte, Materialien und sogar Tränke miteinander verschmelzen, um neue, stärkere Versionen zu erschaffen.

Waffen. Artefakte. Zauber. Endloses Potenzial.

Wie könnte er das aufgeben?

Auf keinen Fall.

Die eigentliche Frage war also—wie bringt er sie dazu, sich zu verlieben?

Denn im Moment hatte Elijah jeden Vorteil.

Hintergrund? Er hatte die volle Unterstützung der Kirche und seiner Familie, die bereit war, alles zu tun, um sich mit ihm zu versöhnen.

Talent? Er lag vorne—vorerst.

Ruf? Er ist der sogenannte Auserwählte.

Aber Noah grinste.

"Das ist nur für jetzt."

Drei Talente?

Ich werde mehr haben als das.

Und sie werden alle SSS-Rang sein.

Trotzdem reichte es nicht aus, das in diesem Moment zu wissen.

Er brauchte einen Vorteil. Eine Waffe.

Etwas, das nur er wusste. Der Roman.

Und dann—

Traf es ihn.

Eine kleine, irrelevante Nebengeschichte.

Etwas, das im Roman kaum erwähnt wurde.

Der mysteriöse Tod des jüngeren Bruders des Kaisers.

Derselbe Onkel, den Sophie innig geliebt hatte.

Tot—wegen einer Affäre mit Kaiserin Emily.

Die Wahrheit?

Rom hatte seinen eigenen Bruder getötet.

Emily hatte den Bruder seit ihrer Kindheit geliebt, aber als Rom Kronprinz wurde, zwang ihre Familie sie, stattdessen ihn zu heiraten.

Rom wusste es.

Und er heiratete sie trotzdem.

Also geschah das Unvermeidliche.

Noah atmete aus.

'Der Kaiser ist wahnsinnig.'

Aber das spielte keine Rolle.

Was zählte, war—er hatte jetzt Wissen, das niemand sonst hatte.

Niemand außer Emily und Rom selbst.

Allerdings,

"Will ich diese Karte wirklich ausspielen? Sobald ich es tue, gibt es kein Zurück mehr, und die Dinge könnten sich gegen mich wenden"

Noah zögerte. Die Risiken sind hoch. Die Dinge könnten schief gehen.

Aber, "Ich muss. Ich habe nichts, was mir helfen kann, Sophie zu bekommen. Ich brauche nur, dass sie eine Weile bei mir ist."

Und ich werde sicherstellen, dass ihre Zuneigungspunkte für mich mindestens bei 70% liegen und ihr Talent haben.

Also,

Er würde es benutzen.

Ein Klopfen an der Tür

Klopf. Klopf.

Noahs Gedanken kehrten in die Realität zurück.

Eine Stimme von draußen.

"Junger Herr, Lady Selene hat angeordnet, dass Sie sich vorbereiten sollen."

"Die Kaiserin und Prinzessin Sophie werden bald eintreffen."

Für einen Moment war Noah still.

Dann—

Er lachte.

Langsam.

Leise.

Dann lauter.

Als hätte das Schicksal selbst ihm die perfekte Gelegenheit geboten.

"Bist du auf meiner Seite, Schicksal?"

Sein Grinsen wurde breiter.

Denn wenn er das richtig spielte...

Würde Sophie Castria ihm gehören.

—Ende von Kapitel 9—