Kapitel 10: Ein Gespräch mit Kaiserin Emily (1)

Kapitel 10: Ein Gespräch mit Kaiserin Emily (1)

In einer fahrenden Kutsche saßen sich zwei auffallend schöne Frauen gegenüber. Eine reife Frau mit geschmolzen rotem Haar, das ihren Rücken hinabfiel, und smaragdgrünen Augen, die die Weisheit einer Kaiserin enthielten. Die andere, jünger – kaum zwölf – aber bereits mit einer Aura der Arroganz, mit dem gleichen scharlachroten Haar, jedoch Augen von tiefem Karmesinrot, wie ein Becken frischen Blutes.

Die Kaiserin von Castria, Emily Castria.

Ihre jüngste Tochter, Prinzessin Sophie Castria.

Emilys Blick verweilte auf ihrer Tochter. "Bist du bereit dafür, Sophie?"

Sophies Ausdruck blieb gleichgültig – fast schon abweisend. "Ich weiß, was ich tue, Mutter. Ich will, dass diese Farce mehr als jeder andere endet." Sie spottete, ihre Augen verengten sich. "Zunächst einmal weiß ich nicht, wer dachte, es sei eine gute Idee, mich mit irgendeinem—"

Knistern—!

Bevor sie beenden konnte, flackerte Blitz in der Luft. Das Innere der Kutsche summte mit statischer Elektrizität, als Emilys Aura ausbrach – ein bedrückendes Gewicht, das nach unten drückte.

Sophies Augen weiteten sich vor Schock. Sie hatte nicht erwartet, dass ihre Mutter ihre Aura einsetzen würde.

Emilys Blick verschärfte sich. "Sprich mit Respekt. Ich bin deine Mutter, nicht deine Freundin." Ihre Stimme wurde gefährlich sanft. "Wenn du mit diesem Ton weitermachst, werde ich meine Absicht einsetzen. Vielleicht wird es dir etwas Einsicht geben – wer weiß?"

Sophies Herz hämmerte gegen ihre Rippen, aber sie ließ es sich nicht anmerken. Sie knirschte mit den Zähnen und unterdrückte das Unbehagen, das ihr den Rücken hochkroch.

Schließlich atmete sie aus und senkte ihren Blick. "...Ich entschuldige mich, Mutter."

Emily ließ die Spannung noch einen Moment bestehen, bevor sie ihre Aura zurückzog. "Gut. Halte diese Arroganz im Zaum." Ihr Ausdruck wurde ernst. "Ich mag sie tolerieren, aber diese Hexe wird es nicht tun. Und glaub mir, wenn sie beschließt zu handeln, werde ich sie nicht aufhalten können."

Sophies Fäuste ballten sich, aber sie widersprach nicht.

Emily fuhr fort: "Und provoziere den Jungen nicht. Noah mag jung sein, aber er ist ein SSS-Rang-Träger. Was Talent betrifft, übertrifft er sogar dich."

Ein Blitz von Groll flackerte in Sophies karmesinroten Augen, aber sie murmelte einfach: "...Verstanden, Mutter."

Die Kutsche kam zum Stillstand.

Emily seufzte. "Lass uns gehen."

Weaverherz-Anwesen – Besprechungsraum

Selene saß am Kopfende des großen Tisches, ihr eisiger Blick auf die beiden Gestalten vor ihr gerichtet. Ihr gegenüber saßen Emily und Sophie Castria mit gefassten Ausdrücken.

"Wir grüßen die Herzogin", sprachen sie im Einklang und boten nur die geringste Verbeugung – gerade genug, um Respekt zu zeigen, aber keine Unterwerfung.

Selenes Lippen kräuselten sich zu einem schwachen, gleichgültigen Lächeln. Ihre gesamte Präsenz strahlte Kälte aus.

"Willkommen in meinem Haus", sagte sie, ihr Ton trug eine distanzierte Kühle. "Verschwenden wir keine Zeit – sagt mir, warum ihr hier seid."

Emily lächelte geschmeidig. "Nichts Besonderes. Meine Tochter wünschte einfach, ihren zukünftigen Ehemann kennenzulernen. Und als ihre Mutter kam ich, um sicherzustellen, dass alles reibungslos verläuft."

Lügen.

Selene kommentierte nicht. Sie hatte keine Geduld für Dummheit.

Wenn sie wirklich dachten, sie könnten hier hereinspazieren, ihren Sohn traurig machen und unversehrt davonkommen?

Törichte Träume.

"Gut", sagte sie. "Er wird bald hier sein."

Genau als sie sprach, schwangen die Türen auf.

Ein junger Mann trat ein.

Sein violettes Haar, zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden, schimmerte im Licht. Seine silbernen Augen glänzten wie Frost.

Und in dem Moment, als er eintrat, sank die Temperatur – nur leicht, aber merklich.

Es war keine Aura. Nur seine Präsenz.

Emily und Sophie erstarrten.

Ihre Herzen pochten.

Sie hatten noch nie zuvor ein SSS-Rang-Wesen gesehen.

Jetzt verstanden sie.

Die Kluft zwischen SS und SSS war nicht nur Macht – es war die Existenz selbst.

Doch Noah lächelte nur.

"Hallo." Seine Stimme war glatt, durchzogen von einer scharfen, eisigen Kante. "Ich bin Noah Weberherz, einziger Sohn von Selene Weaverheart und Erbe des Herzogtums Weaverheart. Erfreut, Sie kennenzulernen, Eure Hoheit die Kaiserin und Eure Hoheit Prinzessin Sophie."

Sophie verengte ihre Augen.

Sie hatte Arroganz erwartet. Einen verwöhnten Bengel, der sich an den Einfluss seiner Mutter klammerte.

Stattdessen wurde sie mit Gelassenheit konfrontiert. Präsenz. Macht.

Noah machte plötzlich einen vergesslichen Ausdruck und neigte seinen Kopf.

"Ah! Ich habe fast vergessen." Er grinste, schelmisch, doch scharf.

Selenes Herz flatterte. Mein Baby ist zu süß.

"Ich trage auch einen anderen Titel – einen ebenso wichtigen."

Er wandte sich Sophie zu.

"Ich bin auch dein Verlobter, Prinzessin Sophie. Dein zukünftiger Ehemann."

Sophie zuckte zusammen – nicht aus Angst, sondern aus etwas anderem. Etwas Unbekanntem.

Noahs Lächeln wurde breiter. "Ich weiß, warum ihr hier seid." Er lehnte sich zurück. "Ihr wünscht, unsere Verlobung zu lösen."

Er blickte zu Emily.

"Aber bevor wir fortfahren, habe ich eine Bitte."

Emily hob eine Augenbraue.

"Ich möchte ein Wort mit Ihnen allein, Eure Hoheit."

Selene grinste. Stolz. Ihr Sohn spielte mit ihnen.

Sophie runzelte die Stirn. Es gefiel ihr nicht, wie sie bereits an Schwung verlor.

Emily hingegen war fasziniert.

Dies war nicht der Noah, den sie erwartet hatte.

Das letzte, was sie gehört hatten, war, dass er ein verwöhnter, rücksichtsloser Bengel war – jemand, der Diener schikanierte und sich hinter dem Schatten seiner Mutter versteckte.

Aber jetzt...

Sie lehnte sich vor. "In Ordnung. Ich habe kein Problem damit."

...

Nun allein mit der Kaiserin, spürte Noah sein pochendes Herz.

Er hatte mit Selbstvertrauen gehandelt, aber nur er wusste, wie stark sein Puls hämmerte.

Fuuu... Ich schaffe das.

Emily saß bequem, ihre Haltung entspannt. "Also? Was möchtest du besprechen?"

Noah atmete ein. Dann wurde seine Stimme ernst.

"Erstens rate ich Ihnen, eine Schallbarriere zu errichten. Niemand sollte dieses Gespräch hören."

Emilys Augenbrauen runzelten sich leicht.

"Zweitens", Noahs silberne Augen schärften sich, "rate ich Ihnen dringend, während dieses Gesprächs nicht gegen mich vorzugehen. Sie kennen meine Mutter." Seine Lippen kräuselten sich. "Ich muss Sie nicht daran erinnern, wozu sie fähig ist, oder?"

Emilys Augen verengten sich. Etwas stimmte nicht.

Dennoch winkte sie mit der Hand und errichtete eine stille Barriere.

"Sprich", sagte sie, ihre Stimme nun kälter.

Noah atmete aus.

"Ich weiß, warum Sie hier sind."

"Sie wünschen, die Verlobung aufzulösen und Prinzessin Sophie mit Elijah zu verheiraten – dem Auserwählten."

Emilys Lächeln schwankte nicht. "Du bist also kein Idiot." Sie lachte leise. "Warum ist das wichtig? Ist dein Ego verletzt? Dein Ruf? Keine Sorge. Wir werden sicherstellen—"

"Ich kann das nicht akzeptieren", unterbrach Noah sie.

Emilys Augen flackerten.

"Es ist besser, wenn Sie sich entscheiden, dies ohne Probleme zu akzeptieren. Um unnötige Konflikte zu vermeiden."

Noah lehnte sich vor. Seine Stimme wurde kalt wie der Tod selbst.

"Sind Sie sicher mit Ihrer Entscheidung?"

Emilys Lächeln verblasste. "...Ja, das bin ich."

"Auch wenn Sie wissen, dass es meine Mutter verärgern wird?"

"Ja."

"Auch wenn es Konsequenzen haben wird?"

Emilys Blick verhärtete sich. "Wir sind auf alle Konsequenzen vorbereitet."

Stille.

Dann—

"...Selbst wenn die gesamte menschliche Domäne erfährt, wie der Kaiser seinen eigenen Bruder ermordete, weil er mit seiner Frau schlief – der edlen und 'vorbildlichen' Kaiserin Emily?"

Die Welt schien stillzustehen.

Emilys Augen weiteten sich. Ihr Gesicht verlor alle Farbe.

Ihre Hände zitterten.

Ein einziges Wort entkam ihren Lippen, kaum ein Flüstern.

"...Wie?"

—Ende von Kapitel 10—

A/N:

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