Dimitris Blick schweifte über das große Badehaus, seine scharfen Augen verweilten auf jeder der Frauen, bevor sie schließlich auf Sorayah ruhten. Ihre Blicke trafen sich für einen kurzen Moment, eine unausgesprochene Spannung knisterte zwischen ihnen. Doch Sorayah senkte schnell ihren Blick und neigte den Kopf, während sie ihre Augen auf den Marmorboden unter ihren Füßen richtete.
Einer der Wachen, die sie in die Kammer eskortiert hatten, trat vor, seine Stimme hallte von den hohen Wänden wider. "Dies sind alle Gefangenen. Eintausend Frauen und fünfhundert Mädchen, wie verlangt."
Das war es. Die Werwölfe hatten ihre Auswahl getroffen. Die als schwach Eingestuften, die Älteren, die Kranken und diejenigen, die für Arbeit ungeeignet waren, wurden bereits ohne zu zögern abgeschlachtet. Sie brauchten nur eine bestimmte Anzahl, und jetzt war die Quote erfüllt.
Sorayahs Fäuste ballten sich an ihren Seiten, ihre Nägel gruben sich in ihre Handflächen, während sie darum kämpfte, ihre Wut zu unterdrücken. Ihre Augen brannten rot vor Zorn, und Tränen drohten zu fließen, aber sie weigerte sich, sie fallen zu lassen. Sie zwang sich, unbewegt zu bleiben und verbarg ihre Emotionen hinter einem sorgfältig kontrollierten Ausdruck.
Dimitris tiefe Stimme durchbrach die Stille. "Zeit für die Inspektion. Ruft den Gamma Inner Palast Eunuch vom Hof der Luna Kaiserin Witwe."
Auf seinen Befehl hin trat ein Mann mittleren Alters vor. Seine steife Haltung und sein berechnender Blick kennzeichneten ihn als einen Mann, der an Autorität gewöhnt war. Er trug eng anliegende schwarze Hosen und ein karmesinrotes Oberteil, ein starker Kontrast zu der schwarzen Kappe, die auf seinem Kopf saß.
"Danke, Beta Lord," sagte der Eunuch mit einem ehrerbietigen Nicken, bevor er seinen scharfen Blick auf die versammelten Frauen richtete. Er trat einen Schritt vor, seine Stimme schnitt wie eine Klinge durch die Luft.
"Hebt eure Köpfe und seht mir in die Augen, alle von euch!"
Der Befehl sandte einen Schauer der Angst durch die Frauen. Ihre Körper zitterten, als sie zögerten, aber keine wagte es, nicht zu gehorchen. Eine nach der anderen hoben sie ihren Blick, ihre Augen waren voller kaum verhohlener Angst.
Sorayah gehorchte ebenfalls, hob ihr Kinn und begegnete seinem Blick ohne zu zögern. Es hatte keinen Sinn, sich einem Befehl zu widersetzen, zumindest noch nicht.
Der Gesichtsausdruck des Eunuchen blieb unleserlich, als er zu sprechen begann. "Ich gratuliere euch allen, dass ihr es in den Palast geschafft habt." Seine Stimme enthielt weder Wärme noch Freundlichkeit. "Aber täuscht euch nicht, denn hier beginnt die wahre Prüfung. Ihr seid jetzt Eigentum Seiner Königlichen Hoheit, des Alpha Kaisers."
Eine Welle der Furcht ging durch die Menge, aber der Eunuch fuhr ohne Pause fort.
"Einige von euch werden das Glück haben, in seinen Gemächern zu dienen," fuhr er fort, seine Lippen kräuselten sich zu einem höhnischen Lächeln. "Andere werden als Palastmägde zugeteilt, eine Existenz, die noch schlimmer ist als der Tod. Das Leben einer menschlichen Magd im Werwolf-Reich ist eines des Leidens. Selbst Tiere werden mit mehr Würde behandelt als sie."
Seine Worte jagten frischen Terror durch die Frauen. Viele von ihnen beteten nun, als Konkubinen ausgewählt zu werden, nicht aus Verlangen, sondern aus der verzweifelten Hoffnung, dass ein solches Schicksal zumindest ihr Überleben sichern würde.
Aber Sorayah?
Sie wollte das Gegenteil.
Sie betete darum, übersehen zu werden, unter den niedrigsten Rängen entsorgt zu werden. Als ehemalige Prinzessin wusste sie, was das Leben als königliche Gemahlin wirklich bedeutete, endlose Manipulation, Machtkämpfe und unvermeidlichen Tod. Sie konnte es sich nicht leisten, bemerkt zu werden. Nicht, wenn sie eine Mission hatte. Nicht, wenn der Kaiser ihr Feind war. Als einfache Palastmagd hätte sie viel mehr Freiheit, sich unbemerkt zu bewegen, um ihre Rache im Schatten zu planen.
Der Eunuch klatschte scharf in die Hände. "Beginnt die Inspektion!"
Sofort traten die Palastdienerinnen, ältere Frauen in dunklen Gewändern, ein und bewegten sich vorwärts, schlängelten sich zwischen den Gefangenen hindurch. Sie untersuchten jede Frau genau, bewerteten ihre Schönheit, ihre Figur, ihre Haut und sogar ihre körperliche Ausdauer. Eine nach der anderen wurden blaue und rote Bänder um ihre Handgelenke gebunden.
Eine Frau blieb vor Sorayah stehen, ihr berechnender Blick glitt über ihr Gesicht. Sie streckte die Hand aus und fuhr mit den Fingern leicht über Sorayahs Wange.
"Exquisit," murmelte sie anerkennend. "Klare, glatte Haut. Ein zartes Gesicht. Eine schmale Taille." Sie bewegte ihre Hände tiefer, zeichnete die Konturen von Sorayahs Armen nach, dann erstarrte sie plötzlich.
Ihr Ausdruck wandelte sich in einen misstrauischen, als sie sich zum Eunuchen wandte. "Herr, seht euch das an."
Der Eunuch trat vor, seine scharfen Augen verengten sich, als er Sorayahs Hände untersuchte. Seine Lippen verzogen sich, als er die rauen, schwieligen Linien nachzeichnete, die ihre Handflächen verunstalteten. "Diese Spuren... sie stammen nicht von Stickerei oder Hausarbeit," bemerkte er. Sein Blick huschte zurück, um Sorayahs Augen zu treffen, Neugier glänzte in ihnen.
"Du hast schon einmal ein Schwert gehalten," stellte er fest, seine Stimme trug einen Hauch von Neugier. "Was hat dazu geführt?"
Sorayah begegnete dem Blick des Eunuchen mit einem unerschütterlichen Ausdruck. Ihre Stimme war ruhig, fest.
"Um mich zu verteidigen," antwortete sie. "Ich bin ein Niemand. Um zu überleben, musste ich lernen zu kämpfen. Deshalb habe ich ein Schwert gehalten."
Ihr Gesicht blieb streng, verriet nichts weiter.
Sie war als Prinzessin geboren worden, aber nicht dem Namen nach. Gezwungen, ihr ganzes Leben lang als Prinz zu leben, war sie aufgewachsen, um ein Schwert zu führen, Pfeile mit tödlicher Präzision zu schießen und die Kunst des Krieges zu meistern. Die Menschen hatten sie einst als Gott unter Männern gepriesen, als Kriegerin, die dazu bestimmt war, sie zu beschützen.
Und doch waren ihre Hoffnungen zerschmettert worden.
Der Eunuch betrachtete sie einen Moment lang, sein Ausdruck unleserlich. Dann band er ohne ein weiteres Wort ein rotes Band um ihr Handgelenk.
Sorayah reagierte nicht. Das war es, was sie gewollt hatte.
Als nächstes wandte sich der Eunuch einer anderen Gefangenen zu, Lily. Er warf ihr kaum einen Blick zu, bevor er auch ihr ein rotes Band ums Handgelenk band. Der Blick, den er ihr zuwarf, machte deutlich, dass sie nicht lange durchhalten würde.
Die Botschaft war nun für alle klar.
Diejenigen, die rote Bänder erhielten, waren für die Knechtschaft bestimmt, während diejenigen mit blauen Bändern die Frauen des Kaisers waren. Diese Erkenntnis sandte eine neue Welle der Furcht durch die Frauen.
"Die Inspektion ist beendet," erklärte der Eunuch schließlich, seine Stimme kalt und endgültig. Seine scharfen Augen schweiften über die Gruppe, als er fortfuhr: "Diejenigen mit blauen Bändern, bewegt euch nach rechts. Diejenigen mit roten, nach links."
Sofort gehorchten die Frauen und schlurften in zwei getrennte Gruppen. Junge Mädchen, einige erst zwölf, andere kaum fünfzehn, standen unter ihnen, ihre weit aufgerissenen Augen voller Unsicherheit.
Der Eunuch wandte sich den Frauen mit blauen Bändern zu, sein Ausdruck wurde zu etwas fast Warmem. "Herzlichen Glückwunsch," verkündete er. "Ihr wurdet als Frauen Seiner Majestät auserwählt."
Einige von ihnen atmeten erleichtert aus, ihre Körper sackten zusammen, als ob eine große Last von ihnen genommen worden wäre. Sie wussten, dass der Kaiser sie wahrscheinlich nie besuchen würde, aber ihre Position gewährte ihnen Schutz vor dem grausamen Schicksal, das die anderen erwartete.
Dann verlagerte der Eunuch seinen Blick auf Sorayahs Gruppe. Seine Wärme verschwand in einem Augenblick.
"Und ihr," sagte er, seine Stimme durchdrungen von Endgültigkeit, "wurdet als Sklaven ausgewählt."
Eine Welle der Verzweiflung breitete sich in der Gruppe aus.
Sie hatten ihr Schicksal bereits gekannt, aber es laut zu hören, machte es umso realer. Es war, als hätte der Eunuch ein Messer genommen und es tiefer in ihre Wunden gedreht. Währenddessen hoben die Frauen mit blauen Bändern leicht ihr Kinn, zitterten nicht mehr so stark. Sie waren verschont geblieben.
Der Eunuch wandte sich wieder den Dienerinnen zu, die in Blau gekleidet neben den Badewannen standen. "Bereitet die Frauen des Kaisers vor," befahl er, bevor er sich zu denen drehte, die für den Dienst markiert waren. "Der Rest von euch, folgt mir. Es gibt viel zu tun."
Die Gefangenen senkten ihre Köpfe in stiller Resignation. Ohne zu zögern bildeten sie eine Reihe und bereiteten sich darauf vor, dem Eunuchen aus dem Badehaus zu folgen.
Aber gerade als sie die Schwelle erreichten...
"Halt."
Die tiefe, befehlende Stimme schnitt durch die Luft und brachte sie zum Stehen.
Dimitri.
Der Beta Lord schritt vor, sein Grinsen breit, scharf wie eine Klinge. Sein durchdringender Blick huschte zum Eunuchen, Belustigung tanzte in seinen Augen.
Der Eunuch versteifte sich. Sein Kopf senkte sich in einer tiefen Verbeugung, seine Hände vor ihm gefaltet. "Wie kann ich Euch dienen, Beta Lord?" fragte er, sein Ton vorsichtig, ehrerbietig. Er wagte es nicht, Dimitris Blick zu begegnen.
Dimitri ließ sich Zeit, trat näher, das Gewicht seiner Präsenz lastete auf dem Raum. Als er schließlich sprach, war seine Stimme mit etwas Dunklem, etwas Gefährlichem durchsetzt.
"Ich interessiere mich für die Mägde, die du mit dir nimmst," sagte er, jedes Wort triefte vor kalkulierter Bedrohung. "Zufällig brauche ich eine."
Der Eunuch zögerte nicht. Er wusste es besser, als abzulehnen. "Wer bin ich, um Euch zu verweigern, mein Herr?" sagte er geschmeidig. "Ihr seid die rechte Hand Seiner Hoheit des Alpha Kaisers. Was immer Ihr begehrt, ist Euer, solange genug für alle da sind."
Er deutete auf die Gefangenen. "Wählt diejenige, die Ihr wollt, und sie wird Euch gewährt."
Dimitris Grinsen vertiefte sich.
Sein Blick huschte am Eunuchen vorbei und scannte die Reihe der Frauen. Und dann hob sich seine Hand, sein Finger zeigte ohne zu zögern.
"Ich will sie."
Die Luft im Badehaus wurde dick vor Spannung.
Alle Augen folgten seiner ausgestreckten Hand zu derjenigen, die er gewählt hatte.