WIE KANNST DU ES WAGEN?!

Die Küche befand sich nicht im Dienstbotentrakt, daher musste Sorayah den Trakt verlassen. Sie navigierte durch dunkle Korridore, ihre nackten Füße machten kaum ein Geräusch auf dem kalten Steinboden. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie ging, aber ihr Instinkt sagte ihr, dass die Küche für die Dienstmädchen nicht weit von ihren Quartieren entfernt sein würde. Hunger nagte an ihrem Magen und verdrehte ihn schmerzhaft. Sie brauchte Nahrung und, was noch wichtiger war, sie brauchte eine Waffe.

Als sie um eine Ecke bog, flackerte in der Ferne ein schwaches Licht. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Sie beschleunigte ihren Schritt, folgte dem Schein, ihr Atem flach vor Erwartung.

Als sie die Tür erreichte, öffnete sie sie vorsichtig, ihre Finger zitterten gegen den abgenutzten Holzrahmen. Ein warmes Leuchten von einer kleinen Feuerstelle tauchte den Raum in einen goldenen Schimmer. Es war ein winziger, schlecht konstruierter Raum, ein Beweis dafür, dass er für die rangniedrigsten Dienstmädchen gedacht war, diejenigen, die die erniedrigendsten Aufgaben bekamen, wie das Schrubben von Nachttöpfen.

Sorayahs Blick fixierte sich auf den Topf mit Eintopf, der über dem Feuer köchelte. Das reiche Aroma ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen, und sie verlor keine Zeit, eine Holzkelle zu greifen, um zwei Teller zu füllen. Als sie gerade gehen wollte, zögerte sie. Der eigentliche Grund, warum sie hergekommen war, tauchte wieder in ihrem Bewusstsein auf und ließ ihr Herz rasen.

Ihre Augen huschten durch die Küche, bis sie fand, wonach sie suchte, ein Messer.

Ohne zu zögern schnappte sie es von der abgenutzten Holztheke, sein stumpfes Metall glänzte im Feuerschein. Schnell versteckte sie es unter ihrem Kleid und sicherte es an ihrem Oberschenkel. Die scharfe Kante schnitt leicht in ihre Haut, aber sie ignorierte das Stechen. Sie würde dies brauchen.

Die Hochzeit des Alpha Kaisers fand heute Morgen statt, erinnerte sie sich. Ich hatte keine Gelegenheit, teilzunehmen, aber es wird in Zukunft viele Gelegenheiten geben. Ich muss nur einen Weg in den Palast finden.

Mit diesem Gedanken, der ihren Entschluss stärkte, drehte sie sich um, um zu gehen, aber bevor sie einen einzigen Schritt machen konnte, waren Schritte zu hören, die sich der Küche näherten.

Sorayahs Magen sank. Scheiße!

Ohne nachzudenken, huschte sie unter den Küchentisch und rollte sich zu einem engen Ball zusammen. Sie hielt den Atem an, als die Tür quietschte und zwei Gestalten eintraten.

Ihr Puls donnerte in ihren Ohren. Ich bin erledigt! Ich bin wirklich erledigt!

Obwohl sie nur ein Mensch war und kein Werwolf, kannte sie die Konsequenzen, wenn man von seinen Herren stahl. Und angesichts dessen, wie grausam Werwölfe angeblich waren, wollte sie sich nicht vorstellen, welche Art von Bestrafung sie erwarten würde, wenn sie erwischt würde.

Sie brauchte einen Fluchtplan. Schnell.

Aber bevor sie einen ausdenken konnte, ließ sie ein Geräusch erstarren.

Ein Stöhnen.

Laut. Unverkennbar.

Gefolgt vom rhythmischen Klatschen von Fleisch auf Fleisch.

Was zum Teufel? Sorayahs Augenbrauen runzelten sich, als sie es wagte, durch den kleinen Spalt zwischen der Tischdecke und dem Boden zu spähen.

Ihre Augen weiteten sich.

Ein Mann hatte eine Frau über die Holztheke gebeugt, ihre nackten Brüste fielen nach vorne, während er ihre Hüften packte und mit ungehemmter Kraft in sie stieß. Seine großen Hände wanderten über ihren Körper, drückten und streichelten, während die Stöhner der Frau die Küche füllten.

Sorayahs Magen verkrampfte sich nicht vor Erregung, sondern vor purer Ungläubigkeit.

Ist das euer Ernst?

Von allen Orten, warum hier? Konnten sie das nicht in ihre Zimmer verlegen?

Sie verdrehte die Augen und drückte sich weiter gegen das Holzbein des Tisches, versuchte, die erhitzten Keucher und nassen Geräusche zu ignorieren, die die Luft füllten. Der Geruch von Sex wurde dichter und haftete wie ein unsichtbarer Nebel an der warmen Küche.

Sie atmete langsam aus und hielt ihren Atem leise. Ich habe wohl keine andere Wahl, als zu warten, bis sie fertig sind.

Ergeben in ihre unglückliche Lage, legte sie ihre Stirn auf ihre Knie und betete zu allen Göttern, die zuhörten, dass sie schnell fertig werden würden.

Diese Nacht wurde immer schlimmer.

"Ach, scheiß drauf."

Während Sorayah darauf wartete, dass das Paar fertig wurde, konnte sie nicht umhin, den starken Kontrast zwischen ihnen zu bemerken. Die Frau war in feine Seide gehüllt, ihre Kleidung elegant und zweifellos teuer, während der Mann eine einfache lila Uniform trug, eindeutig ein Diener. Sie kamen aus verschiedenen Welten, und doch waren sie hier, verstrickt in einer leidenschaftlichen Umarmung.

Ihre Neugier vertiefte sich. Was brachte sie zusammen?

Das Stöhnen der Frau wurde lauter, was Sorayahs Wangen vor Verlegenheit brennen ließ. Sie hatte noch nie etwas so Intimes miterlebt, und es ließ sie sich wie ein Eindringling in einem Moment fühlen, der nicht für ihre Augen bestimmt war.

Ich sollte nicht hier sein. Ich sollte das nicht beobachten.

Gerade als sie sich abwenden wollte, verlangsamten sich die Bewegungen des Paares. Die Frau stieß einen letzten, atemlosen Seufzer aus, ihr Körper entspannte sich gegen den Mann, als er ein Stöhnen der Befriedigung von sich gab. Sorayah hielt den Atem an und betete, dass sie schnell gehen würden.

Sie beobachtete, wie der Mann der Frau half, ihre Kleidung zu richten, seine Berührung verweilte mit einer Zärtlichkeit, die sie überraschte. Dann, zu ihrer Überraschung, lehnte er sich vor und küsste sie, langsam, bewusst, voller etwas Tieferem als bloßer Lust.

Sorayahs Augen weiteten sich.

Also geht es nicht nur um Vergnügen... Da ist etwas Echtes zwischen ihnen.

Die Erkenntnis beunruhigte sie. Sie hatte eine Affäre erwartet, die rein von Begierde getrieben war, aber die Zuneigung in diesem Kuss deutete auf etwas viel Gefährlicheres hin – Liebe. Liebe zwischen einer Adligen und einem niedrigen Diener.

Aber bevor sie darüber nachdenken konnte, schlug das Unglück zu.

Das Messer, das sie an ihrem Oberschenkel versteckt hatte, rutschte unter ihrem Rock hervor und klapperte laut auf den Steinboden.

Das Paar erstarrte.

"Wer ist da?" bellte der Mann, seine Stimme scharf vor Angst und Wut.

Sorayahs Blut gefror. Scheiße.

Blitzschnell griff sie nach dem Messer und sprang auf die Füße, aber es war zu spät.

"Komm sofort raus!" befahl die Frau, ihre Stimme durchsetzt mit Autorität. "Gehorche, und vielleicht werde ich erwägen, dein Leben zu verschonen."

Sorayah wusste es besser, als das zu glauben.

Auch wenn sie sich nicht sicher war, welchen genauen Rang die Frau hatte, eines war sicher: In einer so kompromittierenden Position mit einem Diener erwischt zu werden, war für jemanden von adligem Blut eine Schande. Und wenn Sorayah es gesehen hatte? Das machte sie zu einer Gefahr. Ein Geheimnis, das begraben werden musste.

"Ich werde nicht noch einmal fragen," warnte die Frau, ihre Stimme tödlich ruhig.

Sorayahs Herz hämmerte. Ihr Blick huschte durch die schwach beleuchtete Kammer, suchte nach einem Fluchtweg. Dann sah sie es, ein offenes Fenster.

Ohne zu zögern, stürmte sie los.

"Fang sie und töte sie!" schrie die Frau. "Sie darf nicht entkommen!"

Der Mann gehorchte sofort und stürzte sich mit unmenschlicher Geschwindigkeit auf Sorayah.

Aber Sorayah hatte einen Vorteil. Obwohl sie kein Werwolf war, besaß sie Gaben, Gaben, die es ihr erlaubten, mit ihrer Geschwindigkeit und Stärke mitzuhalten. Ihre Füße berührten kaum den Boden, als sie durch die Korridore sprintete, ihr Körper bewegte sich mit der Anmut eines Raubtiers.

Ich muss ihn nur abschütteln.

Sie schlängelte sich durch die labyrinthartigen Hallen, drehte und wendete sich. Aber gerade als sie um eine Ecke bog, prallte sie gegen etwas Festes.

Schmerz explodierte durch sie, als sie zu Boden stürzte, ihr Gesicht traf den kalten Stein. Die Teller, die sie gestohlen hatte, klapperten, Essen verschüttete sich überall.

Eine kalte, bedrohliche Stimme knurrte über ihr.

"Wie wagst du es, ein niedriges Dienstmädchen!"

Grauen wand sich in Sorayahs Magen. Sie erkannte diese Stimme.

Ich bin wirklich erledigt.

Langsam hob sie ihren Blick und traf die durchdringenden, wütenden Augen von Frau Melisa. Hinter der Frau kämpfte Lily im Griff von zwei anderen Dienstmädchen, ihr kleiner Körper zitterte.

Die Dienstmädchen hatten überhaupt nicht geschlafen. Sie hatten nur so getan, warteten auf den perfekten Moment, um sie in die Falle zu locken.

Sorayah sprang auf die Füße, Wut blitzte in ihren Augen. "Lass meine Schwester sofort los!" bellte sie.

Frau Melisa grinste und verschränkte die Arme. "Oh, du solltest dir lieber Sorgen machen, was dir gleich widerfahren wird."

Zwei Dienstmädchen traten vor und packten Sorayahs Arme, zerrten sie grob.

Frau Melisa drehte sich auf ihren Absätzen um, und die Dienstmädchen schleppten sowohl Sorayah als auch Lily durch die Hallen, ihre kämpfenden Körper machtlos gegen den festen Griff ihrer Fänger.

Als sie die Dienstbotenquartiere erreichten, hatte sich der gesamte Haushalt versammelt, Augen glänzten mit grausamer Vorfreude. Zwei niedrige Tische lagen in der Mitte des Hofes, und neben ihnen standen vier stämmige Männer, dicke Holzstäbe in ihren Händen.

Sorayah und Lily mussten nicht gesagt werden, was gleich passieren würde.

Bestrafung für Diebstahl.

Sorayah hatte kaum Zeit, sich zu wappnen, bevor sie nach vorne gestoßen wurde, ihre Knie knallten gegen den rauen Boden. Lily landete mit einem Wimmern neben ihr und hielt ihre aufgeschürften Handflächen.

Frau Melisas Stimme klang wie ein Todesurteil.

"Die Strafe für Diebstahl sind fünfzig Schläge mit dem Stock. Dann werden beide Hände abgeschnitten."

Eine neue Welle des Terrors überkam Lily. "N...Nein, bitte! Wir haben nichts gestohlen!" flehte sie, ihre Stimme rau vor Verzweiflung.

Zwei weitere Männer traten vor, packten Sorayah und Lily und banden sie an die Tische. Ihre Röcke wurden hochgezogen, ihre Hinterteile der grausamen Nachtluft ausgesetzt.

Sorayah wehrte sich heftig. "Ihr seid wahnsinnig!" spuckte sie, ihre Stimme zitterte vor Wut. "Ich habe nichts gestohlen! Wir haben den ganzen Tag kein Essen bekommen, wir verhungerten!"

Frau Melisa kicherte, ihre Augen glänzten mit sadistischem Vergnügen. "Dann betrachte dies als eine Lektion in Ausdauer."

Sie hob ihre Hand.

"Beginnt!"

Der erste Schlag kam wie ein Blitz der Qual.

Sorayahs Körper zuckte, als der Stock über ihr Fleisch schnitt, die Kraft davon ratterte durch ihre Knochen. Ein weißglühender Schmerz explodierte in ihren Nerven, aber sie biss die Zähne zusammen und weigerte sich, aufzuschreien.

Lily jedoch stieß einen scharfen Schrei aus, ihr Körper zuckte, als der Stock ihre zarte Haut peitschte. "Bitte...bitte, hört auf! Sie kann das nicht ertragen!"

Sorayah drehte ihren Kopf, ihr Herz brach beim Anblick des tränenüberströmten Gesichts ihrer Schwurschwester. "Lily... bettle nicht bei ihnen." Ihre Stimme schwankte, aber ihre Entschlossenheit nicht.

KRACH!

Noch ein Hieb.

Dann noch einer.

Mit jedem Schlag wurde der Schmerz unerträglich. Die Haut auf ihrem Hinterteil begann aufzuplatzen, warmes Blut sickerte durch den Stoff ihres Rocks. Der Geruch von Eisen füllte die Luft, vermischte sich mit dem Klang von Lilys Schluchzen und dem ekelerregenden Rhythmus des Stocks.

Lilys Körper zitterte heftig. "Lass mich ihre Schläge nehmen! Sie kann das nicht ertragen!" schrie sie.

Frau Melisa ließ ein grausames Lachen ertönen. "Fünfzig Schläge reichen aus, um jemanden zu lähmen. Mehr als das zu nehmen? Das bedeutet den Tod."

Sie winkte mit einer Hand.

"Weiter."

Die Männer gehorchten, ihre Schläge erbarmungslos.

Sorayahs Sicht verschwamm, ihr Körper schrie vor Qual. Ihre Muskeln verkrampften sich, ihr Atem wurde unregelmäßig. Ihr Geist schwankte zwischen Bewusstsein und dem Zug der Dunkelheit.

Ihr Körper weigerte sich nachzugeben.

Sie würde nicht schreien.

Sie würde nicht betteln.

Aber gerade als sie am Rande der Bewusstlosigkeit schwankte....

"WIE WAGT IHR ES?!"

Eine Stimme, mächtig und durchsetzt mit Wut, durchschnitt die Nacht.

Sorayahs benommener Geist erkannte sie sofort.

Durch den Schmerz zwang sie ihre geschwollenen Augen auf, gerade rechtzeitig, um eine hochragende Gestalt zu sehen, die in den Hof trat.

Seine bloße Anwesenheit sandte eine Welle der Angst durch die versammelten Diener.

"Lasst sie frei. Sofort."