Blut

Herbst hatte keine Ahnung, wann sie eingeschlafen war, sich in den Schlaf geweint hatte, sich trotz der Schmerzen immer wieder selbst ins Gesicht geschlagen hatte. Erschöpfung, Tränen, alles verschmiert und verwischt. Als sie aufwachte, erhellte bereits das schwache Weiß der aufgehenden Sonne den Horizont.

Ihr ganzer Körper schmerzte. Es fühlte sich an, als wäre sie von einem Lastwagen überfahren worden. Herbst beschloss, dass ein Spaziergang an der frischen Luft gut für ihre Gesundheit sein könnte. Das Zimmer und Kierans darin verbleibender Duft trieb sie bereits wieder in den Wahnsinn. Und definitiv nicht auf eine positive Weise.

Aber in dem Moment, als Herbst aus ihren Gemächern trat, wartete das Rudel bereits, obwohl es kaum dämmerte.

Geflüster schlängelte sich wie bösartige Schlangen durch die Luft.

"Schaut, wer endlich aus dem Bett des Alphas gekrochen ist."

"Scheint, als wäre ihm schnell langweilig geworden. Sie sieht aus wie ein benutzter Lappen."

"Frage mich, ob sie noch warm von ihm ist."

Herbst hielt den Kopf gesenkt, ihr Körper schmerzte, ihre Oberschenkel waren klebrig von den Spuren dessen, was Kieran ihr angetan hatte. Sie sah sie nicht an. Reagierte nicht.

Das würde sie nur noch dreister machen.

Ein Kieselstein traf ihren Hinterkopf. Dann noch einer.

"Hey, Einzelgänger!" rief ein großer Bursche grinsend. "Wie war der Alpha? Wette, er hat dich ordentlich zugerichtet. Er hat einen Ruf. Ich bezweifle, dass du mit seinem Tempo mithalten konntest."

Gelächter applaudierte seinen Bemerkungen. Er lächelte und grinste wie ein siegreicher Krieger. Kranke Leute!

Sie ignorierte ihn und ging schneller. Aber vielleicht war der Versuch, Frieden zu halten, eine Illusion.

Eine Hand packte ihren Arm und riss sie zurück.

"Wo glaubst du, gehst du hin, Schlampe?" Eine Kriegerin, Vera, sah höhnisch auf sie herab. "Du läufst nicht einfach weg, nachdem du den Alpha gefickt hast. Du bist jetzt Rudeleigentum. Hat der Alpha das nicht klargemacht? Uns hat er es gesagt!" Sie zog einen krank aussehenden Dienstplan oder eine Aufgabentafel heraus, aber Herbst interessierte das nicht.

Sie riss ihren Arm frei. "Ich gehöre niemandem."

Veras Grinsen wurde breiter. "Oh? Warum riechst du dann nach ihm? Wie benutzte Ware?"

Mehr Gelächter brach um sie herum aus.

Herbsts Finger ballten sich zu Fäusten.

Dann...

PLATSCH.

Ein Eimer eiskaltes Wasser durchnässte sie von Kopf bis Fuß.

Keuchen.

Mehr Gelächter.

Herbst stand wie erstarrt da, Wasser tropfte von ihrem Haar, ihr geliehenes Kleid klebte an ihrer Haut.

Der große Kerl von vorhin, Garrick, grinste. "Ups. Sieht aus, als hätte jemand ein Bad gebraucht. Zu high vom Duft des Alphas, der noch an ihrer Kleidung haftet."

Vera lehnte sich vor, ihr Atem heiß an Herbsts Ohr. "Du denkst, nur weil der Alpha dich einmal gefickt hat, bist du etwas Besonderes? Er behält keine Huren. Du bist für ihn nur ein weiteres warmes Loch."

Herbsts Sicht färbte sich rot.

Sie drehte sich und rammte ihre Faust in Veras Nase.

KRACH.

Blut spritzte.

Vera taumelte zurück, hielt sich das Gesicht, die Augen weit vor Schock.

Stille.

Aber dann...

"DU KLEINE FOTZE!"

Vera stürzte sich auf sie.

Herbst hatte kaum Zeit, sich zu wappnen, bevor Fäuste, Ellbogen, Knie... all das auf sie einprallte.

Sie schlug auf dem Boden auf, Vera auf ihr, Schläge prasselten auf sie nieder.

"Du glaubst, du kannst mich schlagen? Du dreckiges Stück Scheiße!" knurrte Vera, packte Herbsts Haare und schlug ihr Gesicht auf den Boden. "Du bist nichts in diesem Rudel! Du bist weniger als nichts! Und ich bin ein Gamma. Eine verdammte Kriegerin!"

Herbst keuchte, Blut füllte ihren Mund.

Die kleine Gruppe jubelte, bildete einen Kreis um sie und skandierte...

"MACH SIE FERTIG, VERA!"

"ZERBRICH SIE, JA!"

"Gut, dass Mango nicht hier ist, um sich einzumischen!"

Vera saß rittlings auf ihr und umklammerte ihre Kehle. "Weißt du, was mit Einzelgängern passiert, die ihren Platz nicht kennen?"

Herbst würgte und kratzte an ihren Händen.

Vera beugte sich hinunter, ihre Lippen streiften ihr Ohr. "Sie werden herumgereicht, bis sie zu gebrochen sind, um sich zu wehren."

Aber dann, wie aus dem Nichts...

Krach!!!

Ein Stiefel rammte sich in Veras Rippen und schleuderte sie weg.

Herbst keuchte und rollte sich auf die Seite, hustend.

Kieran stand über ihnen beiden, seine goldenen Augen brannten vor Wut.

Das Rudel verstummte.

Vera rappelte sich auf und wischte Blut von ihrer Lippe. "Alpha, sie hat mich angegriffen. Ich wollte ihr nur den Dienstplan geben, aber diese Hure..."

"Ich habe es gesehen." Kierans Stimme war tödlich leise. "Sie hat dich einmal geschlagen. Du hast sie halb tot geprügelt."

Vera erbleichte. "Sie ist ein Einzelgänger, Alpha. Ich habe nur Befehle befolgt, als sie sich weigerte zu hören. Sie muss lernen..."

"Du entscheidest nicht, was sie lernt." Kieran trat näher. Seine Augen fixierten sie. Seine Aura war erstickend. "Du fasst nicht an, was mir gehört."

Vera stockte der Atem. "Aber... du behältst keine Frauen. Du hast nie..."

"Ich sagte," knurrte Kieran, "du fasst nicht an, was mir gehört. Ich habe nichts davon gesagt, etwas zu behalten. Habe ich das, Vera?" Ihr Name kam aus Kierans Lippen wie ein Knurren mit einem tödlichen Hauch eines Schnurrens.

Das Rudel zuckte zusammen.

Vera senkte den Kopf, zitternd. "Ja, Alpha."

Kieran wandte sich Herbst zu, sein Blick unlesbar.

"Jeder von euch bewegt seinen faulen Arsch und kehrt zu den Rudelpflichten zurück. Jeder, der faulenzt...

Jeder, der nicht Befehle befolgt... wird es direkt mit mir zu tun bekommen! Ist das verstanden?"

Das Bellen hallte buchstäblich durch die Wälder. Selbst die Bäume und die Wolken bebten vor Angst.

Aber Herbst starrte ihn wütend an, Blut tropfte von ihrer aufgeplatzten Lippe.

Er sagte nichts.

Ging einfach weg.

Ließ sie gebrochen zurück.

Blutend. Der Gnade seines gnadenlosen Rudels ausgeliefert.

Und einsamer, als sie es je als Einzelgänger gewesen war.

Aber dennoch stemmte sie sich auf zitternden Armen hoch, der feuchte Boden klebte an ihrer Haut.

Ihr Atem kam in rauen Stößen, ihre Brust hob und senkte sich, als sie Blut und Schmutz ausspuckte. Die Menge hatte sich zerstreut, wie Ratten, die vor einer Flamme fliehen, aber ihr Geflüster hallte noch in ihren Ohren nach. Ihr Körper pochte bei jeder Bewegung, aber das Feuer in ihren Augen brannte heißer als je zuvor.

Sie würde nicht wieder weinen, versprach sie sich.

Ihre Glieder protestierten, als sie aufstand, aber sie tat es trotzdem, ihr Rückgrat straffte sich mit purer Trotzigkeit. Ihr Kleid war ruiniert, klebte nass an ihrem Körper, durchsichtig im Morgenlicht.

Sie schlang ihre Arme um sich selbst und begann zu gehen... irgendwohin. Sie kam nicht weit, bevor sie hinter dem Trainingsschuppen zusammenbrach, verborgen vor neugierigen Blicken.

Sie biss auf ihren Ärmel, um das Schluchzen zu unterdrücken, das über ihre Lippen kommen wollte. Es war keine Schwäche, sagte sie sich. Es war die Art des Körpers, Schmerz auszubluten. Wenn sie jetzt nicht weinte, würde es in ihr verfaulen.

"Du bist stärker als das," flüsterte sie sich selbst zu.

Aber es klang hohl.

Ein leises Schlurfen von Schritten erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie versteifte sich sofort, ihre Augen huschten nach oben, ihr ganzer Körper spannte sich an wie ein gejagtes Tier.

Aber es war die süße alte Mango.

Herbst blinzelte, ihre Kehle war eng. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, irgendetwas, aber keine Worte kamen.

Mango seufzte. "Bemüh dich nicht zu lügen oder ein tapferes Gesicht aufzusetzen. Ich habe alles gesehen. Habe nur nicht eingegriffen." Sie zog eine kleine Dose aus ihrer Schürze. "Halt still."

Mit sanfter Hand tupfte sie Salbe auf Herbsts aufgeplatzte Lippe und schmierte etwas auf die schlimmsten Schnitte. Es brannte wie die Hölle, aber Herbst zuckte nicht zusammen.

"Du bist nicht das erste Mädchen, das sie zu brechen versuchen," murmelte Mango. "Aber verdammt, wenn ich jemanden gesehen habe, der Kieran so angesehen hat wie du gerade. Nicht einmal die Krieger."

Herbsts Kiefer spannte sich an. Mango hielt einen Moment inne und sagte dann leise: "Dieser Junge wurde mit Krieg in seinen Adern erzogen. Weiß nicht, was er mit etwas Weichem anfangen soll. Heißt nicht, dass es ihm egal ist. Aber sich kümmern und wählen... das ist etwas anderes."

Herbst sah weg. "Ich will nicht, dass er sich kümmert. Ich will, dass er mich in Ruhe lässt."

"Bist du dir da sicher, kleiner Wolf?" Herbst antwortete nicht. Sie kannte die Antwort selbst nicht.

Nach einer langen Pause klopfte Mango ihr aufs Knie. "Komm. Du kannst nicht herumlaufen und aussehen wie ein ertrunkener Welpe. Ich habe Ersatzkleidung. Und etwas Suppe."