Kapitel 4

"Violet."

Alphas befehlende Stimme lässt meinen Kopf hochschnellen, bevor mein Gehirn überhaupt funktioniert. Ich muss eingeschlafen sein.

Eine fadenscheinige Decke fällt zu Boden, als ich mich aufsetze; jemand hat mich zugedeckt, als ich auf dem Sofa eingeschlafen bin. Mehrere erwachsene Wölfe waren nur Minuten nach der Flucht meines Beschützers auf die Lichtung gestürmt und waren – glücklicherweise – nicht Teil des sexuellen Nebels der Gefährtensuche, sondern etablierte und gepaarte Erwachsene, die mich schnell nach Hause schleppten, wie ein widerspenstiges Kind.

Was hast du dir dabei gedacht? fragten sie mich alle verzweifelt, als ob ich dort sein wollte.

Niemand hörte zu, als ich versuchte zu erklären, was passiert war.

"Alpha," begrüße ich meinen Adoptivvater und räuspere mich, als meine Stimme krächzt. "Es tut mir leid. Ich muss eingeschlafen sein."

Er winkt mit einer seiner massiven Hände ab und mustert mich mit gerunzelter Stirn. "Erzähl mir, was passiert ist."

Alphas durchdringender Blick bohrt sich in mich, und ich kann das Gefühl nicht abschütteln, dass etwas nicht stimmt. Seine übliche stoische Haltung hat sich in etwas Beunruhigendes verwandelt. Ich schlucke schwer, meine Kehle trocken wie Sandpapier.

"Ich bin mitten im Wald während der Gefährtensuche aufgewacht. Meine Kleidung war weg. Ich weiß nicht, wie ich dorthin gekommen bin."

Er ist schockierend unbeeindruckt von den Worten, die aus meinem Mund kommen, und wirkt eher ungeduldig als alles andere. "Was noch?"

"Es war nicht sicher, also bin ich weggelaufen. Ich versuchte, nach Hause zu kommen, aber ich habe mich verirrt. Ein fremder Wolf hat mich gefunden und mich gewärmt, als ich mich verlaufen hatte. Evan fand uns später und sie kämpften beide, und der Wolf lief weg."

Mit jedem Wort vertieft sich Alphas Stirnrunzeln und gräbt harte Linien in sein Gesicht. Die Luft wird dick, bedrückend, und macht es mir schwer zu atmen. Sauerstoff gelangt nur mit flachen, offenen Atemzügen in meine Lungen, während seine Aura auf mich drückt.

Mir ist schwindelig. Und verwirrt.

Alpha hat seine Aura noch nie gegen mich eingesetzt. Er sagt, Menschen seien zu schwach, um ihr standzuhalten. Jetzt verstehe ich warum.

Es ist, als würde er mir die Luft rauben. Schwarze Flecken tanzen vor meinen Augen.

"Verheimlichst du mir etwas, Violet?"

Sein Ton lässt mich erschaudern. Er klingt nicht wie mein Adoptivvater. Er klingt... wütend. "Was meinst du?"

Alphas Augen verengen sich, sein Kiefer spannt sich an. "Verbirgst du eine Verwandlung vor mir, Mädchen?"

Ich starre ihn an, mit offenem Mund, und versuche, seine Worte zu verarbeiten. "Ich... was? Ich bin ein Mensch. Wie könnte ich möglicherweise eine Verwandlung verbergen?" Was für eine wahnsinnige Frage ist das?

Die Veränderung in Alpha ist augenblicklich und erschreckend. Sein Gesicht verzerrt sich, seine Züge verwandeln sich in etwas Unmenschliches. Verschwunden ist die strenge, aber fürsorgliche Vaterfigur, die ich all diese Jahre gekannt habe. An seiner Stelle steht ein Fremder, der mich mit kalter Verachtung betrachtet.

"Alpha?" Meine Stimme zittert, kaum mehr als ein Flüstern.

Er macht einen Schritt näher, ragt über mir auf. "Lüg mich nicht an, Mädchen. Hast du dich verwandelt?"

Ich schüttle hektisch den Kopf. "Nein! Nein, ich habe mich nicht verwandelt. Ich bin ein Mensch!"

Alphas Hand schießt vor, seine Finger graben sich in meinen Kiefer. Ein erstickter Laut entweicht meinen Lippen, als er mich nach vorne zieht. Seine Augen leuchten golden, wild und fremd. Die Luft wird dicker, drückt wie ein physisches Gewicht auf mich.

"Verwandle dich. Jetzt."

Sein Befehl prallt auf mich, eine unsichtbare Kraft, die droht, meine Knochen zu zermalmen. Meine Lungen kämpfen gegen den Druck, jeder Atemzug ein Kampf.

"Ich kann nicht," keuche ich. "Bitte, ich bin ein Mensch—"

"Verwandle dich!"

Der Befehl hallt durch meinen Körper, setzt jede Nervenendung in Brand. Meine Sicht verschwimmt, Dunkelheit kriecht an den Rändern. Ich will gehorchen, alles tun, damit es aufhört, aber es gibt nichts, womit ich gehorchen könnte. Keinen Wolf, der sich unter meiner Haut verbirgt.

"Alpha, bitte—"

Sein Griff verstärkt sich, Nägel bohren sich in mein Fleisch. "Verwandle dich, verdammt!"

Die Welt neigt und dreht sich. Meine Beine geben nach, aber Alphas Griff hält mich aufrecht. Flecken tanzen vor meinen Augen, während er mich schüttelt, jeder Befehl kraftvoller als der letzte.

Plötzlich fliege ich durch die Luft. Mein Rücken knallt gegen den Boden und treibt die wenige verbliebene Luft aus meinen Lungen. Ich liege da, kraftlos, nach Luft schnappend wie ein Fisch auf dem Trockenen. Das erdrückende Gewicht von Alphas Präsenz hebt sich und erlaubt mir, zittrige, verzweifelte Atemzüge zu nehmen.

Durch den Nebel aus Schmerz und Verwirrung zwinge ich meine Augen auf. Alpha ragt über mir, sein Gesicht eine Maske aus Ekel und Verachtung. Der Ersatzvater, den ich all diese Jahre gekannt habe, ist verschwunden, ersetzt durch diesen kalten, wütenden Fremden.

Eine Stimme dringt durch das Klingeln in meinen Ohren. Beta. Wann ist er angekommen?

Alphas Worte durchschneiden den Nebel, klar und verheerend. "Wir haben diese Jahre verschwendet. Sie ist wirklich nur ein Mensch. Die Hündin hat mich betrogen."

Betrogen? Die Anschuldigung schmerzt mehr als der körperliche Schmerz. Wie könnte ich ihn betrügen? Ich habe nichts anderes getan, als zu versuchen, dazuzugehören, meinen Wert zu beweisen. Als Mensch in einem Wolfsrudel zu leben, ist kein leichtes Leben.

"Alpha," krächze ich und versuche mich aufzurichten. Meine Arme zittern, drohen nachzugeben.

Aber sie ignorieren mich.

"Eine Gefährtenbindung zu ignorieren," sagt Beta und spuckt auf den Boden. "Es ist gut, dass sie nicht dein Blut teilt, Alpha. Deine Linie wäre mit einer Mutter wie ihrer geschwächt. Eine ehrlose Hure."

Alpha knurrt. "Mit meinem Gefährtenmal an ihrem Hals einen Menschen zu zeugen... Ich würde sie noch einmal töten, wenn ich könnte."

Der Schock raubt mir den Atem, den bisschen, den ich mit meinen zittrigen Atemzügen sammeln konnte.

Meine Mutter... mit Alpha gepaart? Das kann nicht wahr sein. Sie war ein Mensch, genau wie ich. Oder?

Ich starre auf Alphas Rücken und will, dass er sich umdreht. Dass er mir sagt, dass er scherzt. Dass all dies nichts weiter als ein Fiebertraum ist.

"Wovon redest du?" Meine Stimme zittert, kaum ein Flüstern, aber laut genug für seine scharfen Sinne. "Meine Mutter war ein Mensch. Sie konnte nicht dein Gefährte sein."

"Deine Mutter war eine Lügnerin. Eine Hure, die unsere Bindung verraten hat."

Mein Verstand taumelt. Es ist unmöglich. Das muss es sein.

"Was soll ich mit dem Mädchen machen?"

Alpha dreht sich um, seine Oberlippe hebt sich zu einem höhnischen Lächeln. "Sie ist nicht meine Tochter. Schick sie, um den Omegas zu dienen. Das wird sie eine Weile ruhig halten."

"Verstanden, Alpha."